Mysteriöser Händler kauft Londoner Kupfermarkt leer
Von Sarah Kent, Ese Erheriene und Ira Iosebashvili
Ein einziger Käufer hat sich mehr als die Hälfte der Kupfer-Lagerbestände der
London Metal Exchange (LME) gesichert. Damit hat dieser nun erhebliche
Kontrolle über die Steuerung des Angebots. Die Folge könnten höhere Preise
sein, fürchten Händler.
Im September war dieser Käufer zu verschiedenen Zeitpunkten in Besitz von an
die 90 Prozent des in den Lagerhäusern der Londoner Metallbörse auf Halde
liegenden Kupfers, was 140.000 Tonnen entspricht - so viel um daraus mehr als
1.700 Mal die Kupferteile der Freiheitsstatue zu fertigen. Am vergangenen
Mittwoch gehörten 50 bis 80 Prozent der Lagerbestände an Kupfer diesem Käufer,
wie aus aktuellen Börsendaten hervorgeht. Legt man aktuelle Preise zugrunde,
ist sein in London gelagertes Kupfers zwischen 422 und 671 Millionen Euro wert.
Die Londoner Metallbörse gibt die Identität der Besitzer des Metalls nicht
preis. Doch acht Händler und Broker, die für unterschiedliche, an der LME
aktive Unternehmen arbeiten, sind der Meinung, dass die Red Kite Group, eine
Londoner Investmentfirma, der ominöse Käufer sei. Der Hedgefonds sitze auf
einem großen Berg Metall, deuten sie an. Red Kite wollte keine Stellungnahme
abgeben.
Banken hielten für ihre Kunden oft große Metallpositionen in von der LME
lizensierten Lagerhäusern; doch dass ein Hedgefonds so viel Kupfer halte, sei
ungewöhnlich, sagen Händler und Broker. Die Londoner Metallbörse, die zur
Holding der Hongkonger Börse gehört, begrenzt nicht die Menge an Metall, die
ein einzelner Händler lagert. Es gebe Mechanismen, die verhinderten, dass es zu
einem künstlichen Engpass am Markt kommt - ausgelöst von Besitzern von großen
Metallmengen, die versuchen, die Preise künstlich in die Höhe zu treiben.
Ein Beispiel: Die Bestimmungen der LME sehen vor, dass ein Unternehmen, das
sich in einer dominanten Position befindet, für kurze Zeitabschnitte Metall
verleiht. Der Geldbetrag, den das Unternehmen für diese Dienstleistung erheben
darf, wird von der LME gedeckelt. "Die LME überwacht permanent ihre Märkte, um
sicherzustellen, dass der Handel geordnet abläuft", sagt ein Sprecherin der
LME. Das Verleihsystem sei "der effektivste Weg, den Druck zu kontrollieren,
der aus dominanten Marktpositionen entstehen kann".
Die Preise sind in der vergangenen Woche als Reaktion auf positive
Wirtschaftsnachrichten aus China, dem weltweit größten Nachfrager nach Metall,
etwas gestiegen. Sie sind weiterhin unter dem Niveau vom Jahresanfang, denn die
Nachfrage schwächelt und die Produktionskapazitäten werden sich voraussichtlich
noch vergrößern. Der offizielle Kupferpreis mit Lieferdatum in drei Monaten
belief sich am Freitag an der LME auf 6.696 US-Dollar.
Spekulationen auf höhere Preise
Der Besitzer des riesigen Kupferbergs könnte darauf spekulieren, dass sich
das globale Angebot an Kupfer verknappt und die Preise in der Folge in die Höhe
schnellen, sagen Analysten. Der Preis des an der LME gehandelten Kupfers wird
als globaler Richtwert genutzt und die Lagerhäuser der Börse werden als
Notfallreserve genutzt. Wenn ein einzelnes Unternehmen die Mehrheit dieser
Notration besitzt, kann es den Käufern höhere Preise abverlangen, sagen
Analysten. "Es gibt keinen Grund für irgendjemanden, 70 Prozent der
Lagerbestände des Rohstoffs zu halten", sagt Jessica Fung, Chefin der
Metallsparte bei BMO Capital Markets.
Der mutmaßliche Kupfer-Käufer Red Kite wurde 2004 gegründet. Heute wird das
Unternehmen von den zwei Gründungspartnern Michael Farmer und David Lilley
geleitet. Beide haben zuvor bei der deutschen Metallgesellschaft gearbeitet,
die 1993 zusammenbrach. Der Hedgefonds ist für seine kühnen und extrem
profitablen Geschäfte mit Kupfer und anderen Industriemetallen bekannt. Rund
2,4 Milliarden US-Dollar werden von Red Kite laut der Unternehmenswebsite
verwaltet.
Ein einzelnes Unternehmen hat für den Großteil der vergangenen vier Monate
mindestens 50 Prozent des in den LME-Lagerhäusern vorrätigen Kupfers gehalten.
Sich eine solch einflussreiche Position zu schaffen, ist seit Juni einfacher
als sonst geworden, denn sowohl die Lagerbestände als auch die Preise waren
abgestürzt. Seit Mitte Juni befinden sich in den Lagerhäusern der LME weniger
als 160.000 Tonnen Kupfer. Anfang des Jahres waren es mehr als 360.000 Tonnen.
Die Kupferproduktion sei hinter der Nachfrage zurückgefallen, was dazu führe,
dass die LME-Vorräte angezapft werden, sagen Analysten.
Laut einigen Händlern treibt allein die Tatsache, dass sich so viel Kupfer in
der Kontrolle eines Unternehmens befindet, die Preise in die Höhe. Die Tonne
Kupfer mit Lieferdatum heute kostet 72 Dollar mehr als bei Lieferung in drei
Monaten. Andere führen den Preisanstieg darauf zurück, dass die Minen nicht die
globale Nachfrage befriedigen.
Käufer von Aluminium haben sich in der Vergangenheit bereits über die
Regularien der LME beschwert: Die Wartezeiten seien zu lang und es sei zu
teuer, Nachschub aus manchen Lagerhäusern zu bekommen. Die Metallbörse hat
daraufhin die Spielregeln geändert.