IPO/Erfolgreich oder nicht: Talanx ist an der Börse
Nach langem Hin- und Her ist es geschafft. Der Versicherer Talanx ist an der
Börse angekommen. Ob der Start gelungen ist, darüber lässt sich streiten. Die
Aktie des Versicherers ist am Dienstag mit einem Kurs von 19,05 Euro und damit
4 Prozent über dem Ausgabepreis von 18,30 Euro gestartet. Der lag aber nur am
unteren Ende der Bookbuildung-Spanne von 17,30 bis 20,30 Euro und auch das
Startniveau konnte die Aktie nicht halten. Gleich danach bröckelte der Kurs ab,
um sich zuletzt bei gut 18,60 Euro einzupendeln.
Am Graumarkt, dem Aktienhandel während der Zeichnungsperiode, notierten die
Talanx-Papiere in der Vorwoche zeitweise bei über 20 Euro. "Das Interesse
schlägt das aller IPOs vorher", hatte ein Händler seinerzeit gesagt. Am Montag
hatte sich dann aber im Handel per Erscheinen nach einem Kursrutsch bereits
abgezeichnet, dass die Aktie wohl deutlich billiger angeboten werden würde.
Grund war, dass die Hannoveraner die Zeichnungsspanne auf 17,80 bis 18,30
Euro einengten, obwohl das IPO nach Unternehmensangaben mehrfach überzeichnet
war. Somit haben die Eigentümer - die Versicherungsgruppe HDI und der
Ankerinvestors Meiji - beim ersten Schritt Geld auf der Straße liegen lassen.
Dahinter steckt aber Kalkül. Talanx habe bei der Investorenauswahl auf
langfristig orientierte Anleger gesetzt, verlautete aus es aus Finanzkreisen
zur Erklärung. Diese blieben anders als sogenannte "fast money" Investoren
langfristig an Bord.
Zudem strebt Talanx einen möglichst hohen Streubesitz an, um rasch in den
MDAX aufrücken zu können. Bei einem höheren Ausgabepreis und gegebenem
Emmissionsvolumen wäre die Zahl der ausgegebenen Aktien und damit auch der
Streubesitz aber niedriger ausgefallen. Talanx sammelte nun durch die Ausgabe
von 25,5 Millionen Aktien brutto rund 467 Millionen Euro ein. Der
Unternehmenswert insgesamt beläuft sich auf rund 4,6 Milliarden Euro.
Mit Blick auf eine rasche MDAX-Mitgliedschaft dürfte das Volumen von gut 500
Millionen Euro dennoch zu gering ausgefallen sein. Sollte allerdings die
Beteiligung des Partners Meiji Yasuda Life Insurance von 6,5 Prozent nicht dem
Festbesitz zugeordnet werden, könnte es reichen. Die Grenze für eine
entsprechende Zuordnung liegt bei 5 Prozent. In den MDAX eintreten könnte
Talanx theoretisch zum nächstmöglichen Index-Termin am 21. Dezember.
Talanx hat den Börsengang erst im zweiten Versuch gewagt. Nachdem der Konzern
im ersten Anlauf noch rund 700 Millionen Euro erlösen wollte, trat er im
zweiten Anlauf auf die Bremse und beließ es bei angestrebten 500 Millionen
Euro. Nur wenn die Mehrzuteilungsoption (Greenshoe) über 2,7 Millionen Aktien
ausgeübt werden sollte, würde Talanx dieses Volumen mit dann 517 Millionen Euro
auch erreichen. In dem Fall würde der Streubesitz rund 11,2 Prozent betragen.
Gut möglich, dass Talanx eine gute Börsenkursentwicklung wichtiger war als
ein maximal erzielbares Emissionsvolumen, um die Anleger bei Laune zu halten,
falls das Unternehmen eine zweite Tranche im Hinterkopf haben sollte.
Zudem könnte sich der Versicherer ein Beispiel am desaströsen Börsengang von
Facebook genommen haben. Das Soziale Netzwerk hatte seinen Ausgabekurs bis zum
letzten ausgereizt, wie man inzwischen weiß. Die Aktie hat zu ihrem Ausgabekurs
von 38 Dollar inzwischen 42 Prozent verloren, in der Spitze waren es sogar 52
Prozent. Damit dürfte sich Facebook die Gunst der Anleger für die kommende Zeit
verscherzt haben.
"Ein erfolgreiches IPO heißt nicht, dass man in einem ersten Schritt den
höchsten Preis erzielt. Es ist viel wichtiger dass die Kursentwicklung nach dem
Börsengang stimmt - dann können die Eigentümer im Nachhinein zu höheren Preisen
platzieren und gutes Geld verdienen," erläuterte ein hochrangiger IPO-Banker zu
Dow Jones Newswires.
Ein positives Beispiel dafür ist der Chemiekalienhändler Brenntag, dessen
Aktienkurs sich seit dem Börsengang im März 2010 verdoppelt hat. Die
Eigentümer, die Finanzinvestoren Bain Capital, BC Partners sowie ein Fonds von
Goldman Sachs, haben die gute Entwicklung wiederholt zur Platzierung von
Anteilen genutzt.
Der Börsengang von Talanx erfährt deshalb erhöhte Aufmerksamkeit, weil das
IPO-Geschäft in Deutschland zuletzt von Absagen geprägt war, obwohl der DAX
sich in den vergangenen Wochen in der Nähe seines Jahreshochs tummelte.
Lediglich kleinere Unternehmen hatten den Schritt aufs Parkett gewagt, während
große Unternehmen wie die Siemens-Lichttochter Osram, der Rheinmetall gehörende
Autozulieferer Kolbenschmidt Pierburg oder auch Talanx selbst zauderten. Zur
Begründung hieß es dabei meist, das Börsenumfeld sei zu unsicher oder aber die
vom Markt geforderten Abschläge bei den Ausgabekursen zum jeweiligen Buchwert
seien zu hoch. Bei Talanx waren es nun rund 30 Prozent.
Dem Börsengang von Talanx kam damit die Funktion eines Türöffners zu, denn
bei einem Erfolg dürften viele Unternehmen versucht sein, ihre fertigen
IPO-Pläne aus der Schublade zu holen. Marktteilnehmer bezweifeln angesichts der
Fakten aber, dass das gelungen ist. "Ein Trigger, um andere Börsenkandidaten
hervorzulocken, ist das sicher nicht", meint Analyst Heino Ruland von Ruland
Research. Allerdings sieht er den Grund für den enttäuschenden Ausgabepreis
weniger im Börsenkandidaten selbst als in den handwerklichen Fehlern beim
Börsengang, der erst im wiederholten Anlauf gelungen ist.
"Man muss nun abwarten, wie sich die Aktie an der Börse entwickeln wird",
meint ein Händler. Möglicherweise entwickle sich die Aktie nach dem holperigen
Börsengang doch noch ganz gut, denn teuer sei sie zu dem besagten Ausgabepreis
nicht.