aus der aktuellen €urams:
ESSAY
Dekade der Aktie kommt erst noch
Christian Angermayer, Co-CEO der Angermayer, Brumm & Lange Group
Insbesondere angelsächsische Medien entwerfen derzeit düstere Zukunftsszenarien: Das Ende des Euro, unkalkulierbare Dominoeffekte und weltweit eine wirtschaftliche Abwärtsspirale.
Kein Wunder, dass die meisten Investoren risikoavers agieren und Cash die beliebteste Anlageform ist, meint Christian Angermayer, Gastautor von Euro am Sonntag, – und plädiert für Aktieninvestments.
In der Tat ist die derzeitige Großwetterlage alles andere als vielversprechend.
Dennoch: Die desolate Stimmung an den Märkten ist in dieser extremen Form nicht gerechtfertigt. Halten wir uns fünf Argumente vor Augen, die wider den wachsenden Wirtschaftspessimismus sprechen und einen positiven Ausblick auf das Jahr 2012 und weit darüber hinaus geben.
1. Die Eurokrise wird überwunden – zum Nutzen Europas und Deutschlands
Die Schritte der Bundesregierung bringen augenscheinlich die Lösung der Eurokrise nur langsam voran. Dennoch gehen sie in die einzig richtige Richtung: eine deutlich tiefere Integration der Eurostaaten gerade im Hinblick auf die Fiskalpolitik, aufbauend auf einem neuen Maastricht-Vertrag, diesmal mit harten und sofortigen Sanktionen bei Fehlverhalten, kombiniert mit strukturellen Wirtschaftsreformen in den Peripheriestaaten.
Umsetzung der Neuordnung Europas braucht Jahre Die Umsetzung einer solch tiefgreifenden politischen und wirtschaftlichen Neuordnung Europas braucht mindestens zwei bis drei Jahre und nochmals zehn Jahre, um wirklich Wirkung zu zeigen. Trotz der damit verbundenen, vermutlich kontinuierlichen Transferzahlungen wird sich diese Politik auch – ja vor allem – für Deutschland auszahlen. Denn die für unsere Wirtschaftsstärke unnatürlich niedrigen Zinsen und eine ungewöhnlich günstige Währung werden die hiesige Wirtschaft nachhaltig auf dem Wachstumspfad halten und für Vollbeschäftigung sorgen. Eine Aufspaltung der Eurozone würde uns als Exportnation Nummer 1 vermutlich am härtesten treffen.
2. China wird weiter boomen
Auch auf das Wirtschaftswachstum Chinas blicken Investoren derzeit mit Sorge. Doch China kann es sich einfach nicht leisten, langsamer zu wachsen. Wenn das Reich der Mitte nicht kontinuierlich mehr Menschen zu zunehmendem Wohlstand führt, wird sich die politische Führung nicht halten können. China benötigt daher einen Konsummotor, der die chinesische Exportwirtschaft am Laufen hält und möglicherweise sogar weiter beschleunigt. Und den gibt es bereits: Afrika.
3. Afrika betritt die Bühne
Das riesige Potenzial Afrikas wird von den westlichen Ländern bisher weitgehend ignoriert. Nicht so von China. Dabei geht es nicht nur um den enormen Rohstoffreichtum des Kontinents. Afrika wird sich zu einem der wichtigsten Konsummärkte der nächsten Dekaden entwickeln. In Afrika leben heute rund 860 Millionen Menschen. Bis zum Jahr 2050 wird sich die Bevölkerung im Mittel der Schätzungen verdoppeln. China hat Afrika längst als aussichtsreichen Investitionsstandort entdeckt. Und ist gleichzeitig das einzige Land, das über die notwendigen finanziellen Ressourcen verfügt, um in Afrika einen Infrastruktursprung ungeahnten Ausmaßes zu vollbringen.
4. Die Finanzbranche wird in die Schranken gewiesen – zu ihrem eigenen Vorteil
Die Finanzbranche trägt nicht zur eigentlichen Wertschöpfung im realwirtschaftlichen Sinn bei; sie produziert, liefert und erfindet nichts. Kernaufgabe im volkswirtschaftlichen Zusammenspiel ist es vielmehr, gleichsam als Katalysator der Realwirtschaft Kapitalangebot und -nachfrage zusammenzubringen.
Dieses Selbstverständnis war der Branche verloren gegangen: Stattdessen saß sie der irrigen Meinung auf, dass Finanzprodukte selbst wertschöpfend seien und wie ein Perpetuum mobile Ertrag aus sich selbst heraus produzieren. Es ist gut und war dringend notwendig, dass die Krise dies als falsch entlarvt hat.
Infolge der unausweichlichen Reformen und Regulierungen wird die Finanzindustrie zwar zunächst an Umsatz und Ertrag verlieren, doch langfristig gestärkt daraus hervorgehen. Denn ein erfolgreicher Dienstleister kann auf Dauer nur der sein, der seinen Kunden tatsächlichen Mehrwert liefert.
5. Der Mensch ist lernfähig
Auch wenn viele Medien einen anderen Eindruck vermitteln: Wir leben in einer beispiellosen Phase des „neuen Friedens“. So weist Harvard-Professor Steven Pinker nach, dass Gewalt seit Beginn der Menschheit in allen ihren Formen immer mehr abnimmt, insbesondere noch einmal die letzten Jahrzehnte. Der Grund: Die Aufklärung mit ihrer moralischen und sozialen Ächtung verschiedener Gewaltformen hat eine weltgeschichtliche Wende zum Guten hervorgebracht. Der Impuls der Aufklärung ist somit das nachhaltigste Exportprodukt Europas und der USA.
Dieses Vermächtnis ist ein weiterer wichtiger Grund, weshalb ein vereinigtes Europa – auch unter verstärktem finanziellem Einsatz Deutschlands – geboten ist: Ein zersplittertes Europa wäre von zunehmender Bedeutungslosigkeit bedroht, in wirtschaftlicher, mora*lischer und ethischer Hinsicht. Denn stets *haben in der Geschichte die dominierenden Wirtschaftsmächte ihr jeweiliges Wertesystem durchgesetzt. Zu den überlegenswerten Zukunftsszenarien könnte daher sogar eine erweiterte Eurozone oder auch eine Währungs- und Wirtschaftsunion mit den USA gehören.
Diese fünf Entwicklungen haben die Kraft, schon 2012 ein Jahrzehnt des Wachstums einzuläuten. Dabei sollte insbesondere die Anlageform Aktie in naher Zukunft eine Renaissance erleben.
Während der vergangenen gut zehn Jahre ließ sich eine strukturelle Abkehr von Aktieninvestments beobachten. Vor allem weil Investoren irrigerweise Risiko mit Volatilität statt mit Ausfallwahrscheinlichkeit gleichgesetzt und die Regulatoren den Kauf von Staatsanleihen als risikoärmste Anlageform propagiert und damit Aktieninvestments erschwert haben. Während viele Versicherer 2000 noch Aktienquoten von 20 bis 30 Prozent hielten, liegen diese heute bei wenigen Prozent. Niedriger geht es kaum.
Die Zinsen bleiben niedrig, der Risikoappetit kehrt zurück Dabei sind Aktien derzeit so günstig zu haben wie selten zuvor.
Das historische Kurs-Gewinn-Verhältnis lag im Durchschnitt der letzten 100 Jahre bei US-Bluechips bei circa 16 – im Vergleich zu zwölf heute und sogar nur acht bei europäischen Aktien. Im Jahr 2000 wurden Aktien im Durchschnitt mit dem 20-Fachen ihres Gewinns bewertet, was eine Dividendenrendite von fünf Prozent bedeutet. Die Rendite von Staatsanleihen zu dieser Zeit lag ebenfalls bei rund fünf Prozent, heute rentieren die gleichen Staatsanleihen aber nur mit rund zwei Prozent.
Ihr Paria-Dasein wird die Aktie abschütteln, sobald der wirtschaftliche Impetus der eingangs beschriebenen Marktentwicklungen den der Realwirtschaft nicht gerecht werdenden Pessimismus vertrieben hat und der Risiko*appetit zurückgekehrt ist. Die Zinsen werden für längere Zeit niedrig bleiben müssen, um bei gleichzeitig moderater Inflation zu einer Entschuldung der Staaten beizutragen. Daher werden bald die ersten Kapitalsammelstellen ihre Aktienquoten wieder erhöhen – und einen Aufschwung an den Börsen in Gang setzen.
Eine Vervielfachung der Indizes über die nächsten zehn Jahre ist deshalb auch wahrscheinlich. Eine Dekade des Wachstums wird einsetzen, in der Deutschland, wenn wir jetzt politisch richtig agieren, eine wirtschaftliche Leitungsfunktion übernehmen kann.
ESSAY
Dekade der Aktie kommt erst noch
Christian Angermayer, Co-CEO der Angermayer, Brumm & Lange Group
Insbesondere angelsächsische Medien entwerfen derzeit düstere Zukunftsszenarien: Das Ende des Euro, unkalkulierbare Dominoeffekte und weltweit eine wirtschaftliche Abwärtsspirale.
Kein Wunder, dass die meisten Investoren risikoavers agieren und Cash die beliebteste Anlageform ist, meint Christian Angermayer, Gastautor von Euro am Sonntag, – und plädiert für Aktieninvestments.
In der Tat ist die derzeitige Großwetterlage alles andere als vielversprechend.
Dennoch: Die desolate Stimmung an den Märkten ist in dieser extremen Form nicht gerechtfertigt. Halten wir uns fünf Argumente vor Augen, die wider den wachsenden Wirtschaftspessimismus sprechen und einen positiven Ausblick auf das Jahr 2012 und weit darüber hinaus geben.
1. Die Eurokrise wird überwunden – zum Nutzen Europas und Deutschlands
Die Schritte der Bundesregierung bringen augenscheinlich die Lösung der Eurokrise nur langsam voran. Dennoch gehen sie in die einzig richtige Richtung: eine deutlich tiefere Integration der Eurostaaten gerade im Hinblick auf die Fiskalpolitik, aufbauend auf einem neuen Maastricht-Vertrag, diesmal mit harten und sofortigen Sanktionen bei Fehlverhalten, kombiniert mit strukturellen Wirtschaftsreformen in den Peripheriestaaten.
Umsetzung der Neuordnung Europas braucht Jahre Die Umsetzung einer solch tiefgreifenden politischen und wirtschaftlichen Neuordnung Europas braucht mindestens zwei bis drei Jahre und nochmals zehn Jahre, um wirklich Wirkung zu zeigen. Trotz der damit verbundenen, vermutlich kontinuierlichen Transferzahlungen wird sich diese Politik auch – ja vor allem – für Deutschland auszahlen. Denn die für unsere Wirtschaftsstärke unnatürlich niedrigen Zinsen und eine ungewöhnlich günstige Währung werden die hiesige Wirtschaft nachhaltig auf dem Wachstumspfad halten und für Vollbeschäftigung sorgen. Eine Aufspaltung der Eurozone würde uns als Exportnation Nummer 1 vermutlich am härtesten treffen.
2. China wird weiter boomen
Auch auf das Wirtschaftswachstum Chinas blicken Investoren derzeit mit Sorge. Doch China kann es sich einfach nicht leisten, langsamer zu wachsen. Wenn das Reich der Mitte nicht kontinuierlich mehr Menschen zu zunehmendem Wohlstand führt, wird sich die politische Führung nicht halten können. China benötigt daher einen Konsummotor, der die chinesische Exportwirtschaft am Laufen hält und möglicherweise sogar weiter beschleunigt. Und den gibt es bereits: Afrika.
3. Afrika betritt die Bühne
Das riesige Potenzial Afrikas wird von den westlichen Ländern bisher weitgehend ignoriert. Nicht so von China. Dabei geht es nicht nur um den enormen Rohstoffreichtum des Kontinents. Afrika wird sich zu einem der wichtigsten Konsummärkte der nächsten Dekaden entwickeln. In Afrika leben heute rund 860 Millionen Menschen. Bis zum Jahr 2050 wird sich die Bevölkerung im Mittel der Schätzungen verdoppeln. China hat Afrika längst als aussichtsreichen Investitionsstandort entdeckt. Und ist gleichzeitig das einzige Land, das über die notwendigen finanziellen Ressourcen verfügt, um in Afrika einen Infrastruktursprung ungeahnten Ausmaßes zu vollbringen.
4. Die Finanzbranche wird in die Schranken gewiesen – zu ihrem eigenen Vorteil
Die Finanzbranche trägt nicht zur eigentlichen Wertschöpfung im realwirtschaftlichen Sinn bei; sie produziert, liefert und erfindet nichts. Kernaufgabe im volkswirtschaftlichen Zusammenspiel ist es vielmehr, gleichsam als Katalysator der Realwirtschaft Kapitalangebot und -nachfrage zusammenzubringen.
Dieses Selbstverständnis war der Branche verloren gegangen: Stattdessen saß sie der irrigen Meinung auf, dass Finanzprodukte selbst wertschöpfend seien und wie ein Perpetuum mobile Ertrag aus sich selbst heraus produzieren. Es ist gut und war dringend notwendig, dass die Krise dies als falsch entlarvt hat.
Infolge der unausweichlichen Reformen und Regulierungen wird die Finanzindustrie zwar zunächst an Umsatz und Ertrag verlieren, doch langfristig gestärkt daraus hervorgehen. Denn ein erfolgreicher Dienstleister kann auf Dauer nur der sein, der seinen Kunden tatsächlichen Mehrwert liefert.
5. Der Mensch ist lernfähig
Auch wenn viele Medien einen anderen Eindruck vermitteln: Wir leben in einer beispiellosen Phase des „neuen Friedens“. So weist Harvard-Professor Steven Pinker nach, dass Gewalt seit Beginn der Menschheit in allen ihren Formen immer mehr abnimmt, insbesondere noch einmal die letzten Jahrzehnte. Der Grund: Die Aufklärung mit ihrer moralischen und sozialen Ächtung verschiedener Gewaltformen hat eine weltgeschichtliche Wende zum Guten hervorgebracht. Der Impuls der Aufklärung ist somit das nachhaltigste Exportprodukt Europas und der USA.
Dieses Vermächtnis ist ein weiterer wichtiger Grund, weshalb ein vereinigtes Europa – auch unter verstärktem finanziellem Einsatz Deutschlands – geboten ist: Ein zersplittertes Europa wäre von zunehmender Bedeutungslosigkeit bedroht, in wirtschaftlicher, mora*lischer und ethischer Hinsicht. Denn stets *haben in der Geschichte die dominierenden Wirtschaftsmächte ihr jeweiliges Wertesystem durchgesetzt. Zu den überlegenswerten Zukunftsszenarien könnte daher sogar eine erweiterte Eurozone oder auch eine Währungs- und Wirtschaftsunion mit den USA gehören.
Diese fünf Entwicklungen haben die Kraft, schon 2012 ein Jahrzehnt des Wachstums einzuläuten. Dabei sollte insbesondere die Anlageform Aktie in naher Zukunft eine Renaissance erleben.
Während der vergangenen gut zehn Jahre ließ sich eine strukturelle Abkehr von Aktieninvestments beobachten. Vor allem weil Investoren irrigerweise Risiko mit Volatilität statt mit Ausfallwahrscheinlichkeit gleichgesetzt und die Regulatoren den Kauf von Staatsanleihen als risikoärmste Anlageform propagiert und damit Aktieninvestments erschwert haben. Während viele Versicherer 2000 noch Aktienquoten von 20 bis 30 Prozent hielten, liegen diese heute bei wenigen Prozent. Niedriger geht es kaum.
Die Zinsen bleiben niedrig, der Risikoappetit kehrt zurück Dabei sind Aktien derzeit so günstig zu haben wie selten zuvor.
Das historische Kurs-Gewinn-Verhältnis lag im Durchschnitt der letzten 100 Jahre bei US-Bluechips bei circa 16 – im Vergleich zu zwölf heute und sogar nur acht bei europäischen Aktien. Im Jahr 2000 wurden Aktien im Durchschnitt mit dem 20-Fachen ihres Gewinns bewertet, was eine Dividendenrendite von fünf Prozent bedeutet. Die Rendite von Staatsanleihen zu dieser Zeit lag ebenfalls bei rund fünf Prozent, heute rentieren die gleichen Staatsanleihen aber nur mit rund zwei Prozent.
Ihr Paria-Dasein wird die Aktie abschütteln, sobald der wirtschaftliche Impetus der eingangs beschriebenen Marktentwicklungen den der Realwirtschaft nicht gerecht werdenden Pessimismus vertrieben hat und der Risiko*appetit zurückgekehrt ist. Die Zinsen werden für längere Zeit niedrig bleiben müssen, um bei gleichzeitig moderater Inflation zu einer Entschuldung der Staaten beizutragen. Daher werden bald die ersten Kapitalsammelstellen ihre Aktienquoten wieder erhöhen – und einen Aufschwung an den Börsen in Gang setzen.
Eine Vervielfachung der Indizes über die nächsten zehn Jahre ist deshalb auch wahrscheinlich. Eine Dekade des Wachstums wird einsetzen, in der Deutschland, wenn wir jetzt politisch richtig agieren, eine wirtschaftliche Leitungsfunktion übernehmen kann.