Artikel und Diskussionen zu Wirtschaftsprognosen & Wirtschaftlichen Zusammenhängen

AP
Bofinger sieht schlimmste Finanzkrise seit Zweitem Weltkrieg
Samstag 22. März 2008, 09:47 Uhr



Zum Thema



Hamburg (AP) Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger sieht das internationale Finanzsystem in der schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg und hat Banken wegen riskanter Geschäfte scharf kritisiert. «Kredite müssen in Zukunft wieder stärker über traditionelle Banken laufen und nicht über exotische Zwischenhändler», schrieb der Experte in einem Beitrag für die der «Bild am Sonntag». Der Staat müsse dafür sorgen, dass sich alle Beteiligten an die Regeln hielten. «Nur so werden die Finanzmärkte wieder sicherer.»
Zugleich zeigte sich Bofinger verwundert über den Ruf von Banken nach mehr Staat. Das Mitglied des Sachverständigenrates erklärte: «Gerade Anzeige

sie haben in den letzten Jahren alles getan, um staatliche Regeln zu umgehen. Die Devise lautete: Es müssen 25 Prozent Rendite her.» Für sichere Anlagen gebe es aber nur 4 Prozent Zinsen. Deswegen sei man hohe Risiken eingegangen und habe fragwürdige Geschäftsmodelle gewählt. «Wer auf der Landstraße eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 100 km/h erzielen will, muss schneller fahren als erlaubt und Überholverbote ignorieren. Das geht eine Zeit lang gut, aber früher oder später kommt der Crash.»

Angst um Ersparnisse seien aber unbegründet, schrieb Bofinger. «Die kranken Banken werden rund um die Uhr von den staatlichen Notenbanken betreut, ähnlich wie die Patienten auf der Intensivstation. Die Eingriffe erfolgen so professionell, dass Groß- und Kleinanleger keine Angst um ihre Ersparnisse haben müssen.» In den schlimmsten Fällen wie bei der Mittelstandsbank IKB helfe der Staat zusätzlich mit Steuergeldern aus. Die Hilfe für die Banken führte Bofinger auf das Ausmaß der Probleme zurück: «Das internationale Finanzsystem befindet sich in der schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg.»
 
Schaden von 800 Mrd. Dollar
Druck auf Banken wächst

Vor dem Hintergrund der globalen Kreditmarktkrise wollen der britische Premierminister Gordon Brown und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy Banken dazu auffordern, ihre aufgelaufenen Abschreibungen sofort und umfassend offenzulegen. Eine entsprechende Erklärung wollten beide Politiker am Donnerstag während eines Besuchs von Sarkozy in Großbritannien veröffentlichen, teilte Browns Büro mit.

Beide seien zunehmend besorgt darüber, dass das Vertrauen in die Finanzmärkte Schaden nehmen könnte, weil das Ausmaß an faulen Krediten in den Büchern der Banken weiter unklar sei. Die Politiker wollen zudem weitere Gespräche mit den USA und anderen Staaten aufnehmen, um nach Wegen für eine größere Transparenz der Finanzmärkte zu beraten.

Seit November haben Banken in den USA und Europa Abschreibungen in Höhe von 125 Milliarden Dollar vorgenommen. Bislang ist es den Zentralbanken und Regierungen nicht gelungen, die Wogen an den Finanzmärkten zu glätten. Der IWF schätzt, dass durch die Krise ein Gesamtschaden von rund 800 Milliarden Dollar entstehen könnte. Innenpolitisch hat die Kreditmarktkrise das Ansehen von Brown als versierten Wirtschaftsexperten beschädigt und der Opposition geholfen, ihren Vorsprung in Umfragen auszuweiten.

Auf der politischen Agenda wollen Brown und Sarkozy vor allem ihre Forderung nach einer Reform des UN-Sicherheitsrats bekräftigen. Dabei soll vor allem Afrika einen ständigen Sitz im höchsten Gremium der Vereinten Nationen erhalten. Deutschland strebt im Rahmen der UN-Reform ebenfalls einen ständigen Sitz an.
http://www.n-tv.de/938063.html?240320081511
 
Ifo-Geschäftsklimaindex überraschend gestiegen

Trotz Finanzkrise und Höhenflug des Euros hat sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft im März abermals überraschend verbessert. Der Ifo-Geschäftsklimaindex stieg im März von 104,1 Punkte auf 104,8 Punkte. Analysten hatten einen Rückgang auf 103,4 Punkte erwartet.

Wie das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung am Mittwoch mitteilte, beurteilten die befragten Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage besser als im Februar: Dieser Teilindex stieg von 110,3 Punkte auf 111,5 Punkte. Auch ihre Geschäftsaussichten für das kommende halbe Jahr stuften die Firmen etwas positiver ein, der Teilindex zu den Erwartungen stieg leicht von 98,2 Punkten auf 98,4 Punkte. Trotz des starken Euros sähen die Firmen bessere Exportmöglichkeiten, hieß es.

Die positiven Konjunkturnachrichten für Deutschland mehren sich

Der Geschäftsklimaindex war schon in den vergangenen beiden Monaten überraschend zwei Mal in Folge gestiegen. Im Februar hatte das Ifo-Institut seine Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft von 1,8 auf 1,6 Prozent in diesem Jahr gesenkt und das mit der deutlichen Abkühlung der Weltwirtschaft begründet.

Auch von der OECD waren in der vergangenen Wochen schon positive Nachrichten für Deutschland gekommen: Die OECD hatte ihre Wachstumsprognose für Deutschland leicht erhöht und vorausgesagt, dass die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal 2008 voraussichtlich um 0,6 Prozent im Vorjahresvergleich wachsen werde - 0,2 Prozentpunkte mehr als noch im Dezember vorhergesagt. Für die amerikanische Konjunktur zeichnete die OECD dagegen ein deutlich pessimistischeres Bild (siehe dazu auch: Konjunktur: Amerika droht der Stillstand - Deutschland bleibt verschont.

Auch das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hatte Mitte des Monats berichten können, dass sein Konjunkturbarometer angestiegen war. Laut ZEW rechnen Finanzfachleute damit, dass sich die Konjunktur von September 2008 an wieder belebt (siehe dazu auch: Überraschend gute Konjunkturdaten).
http://www.faz.net/s/Rub050436A85B3A4C64819D7E1B05B60928/Doc~E13D7962DF4BC4CF79150D4495750EA31~ATpl~Ecommon~Scontent.html
 
EZB-Präsident zu Ursachen der Finanzmarktkrise
"Zuviel Geld, zu wenig Kontrolle"

Zuviel Kapital ist laut EZB-Präsident Trichet ohne die notwendige Regulierung auf den Weltmarkt geströmt. Die Banken hätten zu wagemutig investiert, sagte er im Interview mit Markus Preiß, WDR Brüssel. Die Europäische Zentralbank müsse jetzt die Preise stabilisieren, die Menschen vor Inflation schützen und für mehr Transparenz sorgen.

Auf was müssen wir uns als Konsumenten und als Arbeitgeber einstellen - wie schwerwiegend wird diese Finanzkrise sein?
Jean-Claude Trichet: Wir befinden uns gerade mitten in einer wichtigen Phase der Marktkorrektur, mit einigen Turbulenzen und hektischer Betriebsamkeit. Das ist ganz klar, und das hat schon im letzten August begonnen. In dieser Phase versucht die Europäische Zentralbank als allererstes zu verhindern, dass sich die Erwartung einer Inflation breitmacht. Wir sind dafür da, mittelfristig Preisstabilität zu garantieren. Genau das ist es, was die Deutschen und alle anderen Bürger von uns verlangen. Und auf der anderen Seite schauen wir auf die Leitzinsen, die festgelegt sind, um Preisstabilität mittelfristig zu garantieren.

Warum ist Preisstabilität für die Bürger wichtig?

Trichet: Ich muss Ihnen sagen, dass das für Normalbürger der einzige Weg ist, auf nachhaltige Weise ihre Kaufkraft zu sichern. Das ist sehr wichtig, weil es auch das Vertrauen der Menschen stärkt. Wenn Sie nicht wissen, wie sich die Inflation und die Preise entwickeln, dann schaffen Sie ein Ausmaß von mangelndem Vertrauen, das völlig kontraproduktiv für den einzelnen Haushalt und auch für die Gesamtwirtschaft ist. Auf gewisse Weise sind wir von zentraler Bedeutung für die Sicherung und Verbesserung des Vertrauens in der Gesellschaft im allgemeinen und sicherlich in den Ländern des Euroraums, in Deutschland genauso wie in den 14 anderen Staaten.

Würde also Inflation arme Menschen stärker treffen als reiche?

Trichet: Ja, der Punkt, den Sie hier unterstreichen, ist einer der wichtigsten: Diejenigen, die am vehementesten und deutlichsten nach Preisstabilität verlangen, sind die ärmsten und anfälligsten Mitbürger, weil sie überhaupt keinen Schutz gegen Inflation haben. Und sie leiden am stärksten unter Inflation, wenn diese auftritt.

Worauf haben wir uns denn aktuell einzustellen? Ist die derzeitige Krise etwas, das nur den Finanzmarkt betrifft oder hat das auch Auswirkungen auf das tägliche Leben der Menschen in der Euro-Zone?

Trichet: Wir tun natürlich alles, was nötig ist dafür, die Preise mittelfristig stabil zu halten und in der Nähe der 2-Prozent-Marke zu bleiben. Was die Wirtschaft angeht: Wir schauen natürlich aufmerksam und behutsam auf die Wirtschaft und worauf wir besonders achten, ist, dass sie weiter wächst. Wenn ich zusammenfassen sollte, was wir zu tun haben, würde ich sagen: Selbstbewusstsein bewahren - in allen wirtschaftlichen Organisationen in allen Wirtschaftskreisen und Haushalten genauso, wie in den Unternehmen - und das Selbstbewusstsein, da, wo es nötig ist, noch zu steigern.

Was ist aus ihrer Sicht die Ursache dieser Krise? Uns fragen immer wieder Menschen: Wie war es möglich, dass hochrangige Banker Fehler machen, die jetzt so offensichtlich zu sein scheinen, vor einem Jahr aber keinem bewusst waren?

Trichet: Wir müssen uns sicherlich alle dessen bewusst werden, dass auf beiden Seiten des Atlantiks und nicht nur auf der anderen Seite Fehler gemacht wurden - von verschiedenen Unternehmen, von verschiedenen Institutionen, auf der Basis eines Risikos, dass viel zu gewagt war. Und das ist etwas, das muss ich sagen, wovor die Zentralbank schon vor langer Zeit gewarnt hatte. Wir müssen die Situation verbessern in allen Bereichen, wir müssen die Bankenüberwachung verbessern. Wir müssen die Regularien und Regeln in allen Bereichen verbessern, wir müssen das Verhalten der Privatunternehmen verbessern. Wir müssen für mehr Transparenz sorgen - in allen Märkten, in allen Finanzangelegenheiten - das ist das wesentlichste.

Können Sie uns darstellen, wer oder was den Anstoß dazu gegeben hat, diese überzogenen Risiken einzugehen?

Trichet: Ich denke, es war eine Mischung aus leichtverdientem Geld, das hauptsächlich, aber nicht nur durch den Öl-Schock frei wurde, und das neue Kapital, das in den Markt strömte wegen der Ölkrise. Es war also mehr Geld da, das auf globaler Ebene investiert werden konnte. Hauptgrund aber ist, dass es an ausreichender Regulierung fehlte, in vielen Bereichen, was dazu führte, dass die Investmentbanken, ja eigentlich alle Privatbanken zu unvorsichtig, viel zu wagemutig agierten. Wir müssen alle daraus lernen, denn es ist das erste Mal, dass wir einen solchen Fall in einer realen Größenordnung haben, was den Weltmarkt angeht, der sich ja sehr verändert hat in den vergangenen zehn Jahren.

Aber würden Sie sagen, dass viele Banker versagt haben, dass sie ihre Arbeit nicht gut gemacht haben?

Trichet: Ich denke, man kann sicherlich davon sprechen, dass viele Institute, aber sicherlich nicht alle Banken – wir müssen da ganz vorsichtig sein – eine schlechte Strategie gefahren haben, und ein armseliges Verhalten an den Tag gelegt haben. Aber eine große Zahl hat sich auch völlig korrekt verhalten.

Zum Abschluss noch eine etwas persönliche Frage: In der gegenwärtigen Krise, wenn man mal von Ihrer Rolle als EZB-Präsident absieht, werden Sie persönlich von der Finanzkrise berührt, sei es weil Freunde von Ihnen im Finanzsektor arbeiten, oder weil Sie selber Aktien besitzen? Wie nimmt der Mensch Jean-Claude Trichet die Krise wahr?

Trichet: Ich selber habe keine Aktien. Ich möchte sagen, dass die Mitarbeiter der EZB, die sehr sehr gut sind, beispielhaft muss ich sagen, sehr viel arbeiten und dabei in ständigem Kontakt mit den Marktakteuren stehen. Das ganze europäische Team, auch die nationalen Zentralbanken gehören ja dazu, arbeitet zusammen und steht in Kontakt mit dem Markt. Wir sind also in ständigem Kontakt mit den Vorgängen auf den finanziellen Märkten - und natürlich in ständigem Kontakt mit der Wirtschaft als Ganzem. Es ist natürlich eine Grundpflicht für eine Zentralbank, sehr nah am Markt, an der tatsächlichen Wirtschaft dran zu sein, um alle entsprechenden Informationen einzubeziehen, um weise Entscheidungen zu treffen.
Das Interview führte Markus Preiß.
http://www.tagesschau.de/wirtschaft/interviewtrichet2.html
 
Experten sehen robuste Konjunktur in Deutschland trotz Finanzkrise

Berlin (dpa) - Trotz der weltweiten Finanzkrise entwickelt sich
die deutsche Wirtschaft aus Expertensicht weiterhin robust. «Wir
stimmen nicht mit dem um sich greifenden Konjunkturpessimismus
überein und haben für Deutschland immer noch eine Fortsetzung des
Aufschwungs auf der Rechnung», sagte der neue Konjunkturchef des
Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Christian Dreger,
am Mittwoch. Für dieses Jahr erwarten die Forscher ein Wachstum von
2,0 Prozent und senkten damit eine im Januar berechnete Prognose von
2,1 Prozent nur leicht ab. Auch die privaten Banken sehen trotz einer
Abschwächung der Weltwirtschaft «keinen Anlass zur Schwarzmalerei» in
Deutschland. Sie erwarten für 2008 unverändert 1,6 Prozent Wachstum.
«Die gute Industriekonjunktur wird durch die langsamer wachsende
Weltwirtschaft und die Euro-Aufwertung zwar gebremst, aber nicht aus
der Bahn geworfen», teilte der Bundesverband deutscher Banken am
Mittwoch anlässlich seines April-Konjunkturbericht mit. Deutsche
Firmen seien deutlich wettbewerbsfähiger geworden, die Auftragslage
sei weiterhin günstig.
Auch das DIW verwies darauf, dass die deutsche Wirtschaft trotz
der Turbulenzen im Finanzsektor auf einem soliden Fundament stehe.
Ein abrupter Einbruch der Exportkonjunktur in Deutschland sei nicht
zu erkennen, auch wenn sich die Wachstumsaussichten in den USA
deutlich reduzierten. Der Aufschwung in Deutschland werde vor allem
von einer Erholung des privaten Konsums getragen, der zusehends in
Schwung komme. Die Entwicklung werde aber noch von Preissteigerungen
bei Energie und Lebensmitteln gebremst. Als Inflationsrate erwarten
die Berliner Forscher in diesem Jahr 2,6 Prozent, im nächsten Jahr
1,8 Prozent.
Die Bundesregierung solle daher auf Konjunkturprogramme verzichten
und weiter die Staatsfinanzen sanieren, sagte DIW-Experte Dreger. Für
2009 erwartet das Institut nun 1,6 Prozent Wachstum nach bisher
prognostizierten 1,7 Prozent.
dpa sam yybb z2 kf
http://www.capital.de/unternehmen/meldungen/834904.html
 
Noch eine schlechte Nachricht – juchhu!?!
von Angela Göpfert
Gewinnwarnungen und andere Hiobsbotschaften gelten neuerdings als Kaufargument an der Börse. Zumindest bei Finanztiteln. Das lässt viele Experten den Kopf schütteln. Oder ist die neue Kauflust der Anleger am Ende eine völlig rationale Reaktion?

Früher ließ man den Überbringer schlechter Nachrichten hinrichten. Heute wird er geradezu bejubelt und gefeiert. Zumindest an der Börse. Anlässe für derartig kuriose Anleger-Reaktionen gab es an den vergangenen Tagen zuhauf: So stellte die Hypo Real Estate ihre Geschäftsziele für 2008 infrage. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann gab zu, dass sein Institut im ersten Quartal 2,5 Milliarden Euro abschreiben muss. Die Schweizer UBS meldete einen gigantischen Quartalsverlust von 19 Milliarden Dollar, und Lehman Brothers beschlossen eine Kapitalerhöhung um vier Milliarden Dollar und damit eine enorme Verwässerung ihrer Aktien.

Doch statt genau diese Aktien entsetzt von sich zu werfen, griffen Anleger vor allem bei Finanztiteln beherzt zu. Das Spiel setzt sich auch am Mittwoch fort: Erneut stehen hierzulande Papiere von Hypo Real Estate, Commerzbank, Postbank und Deutsche Bank auf den Einkaufszetteln der Anleger.

Verbesserte Risikobewertung schürt Kauflust
Für diese paradoxe Marktreaktion wird gerne als Begründung angeführt, dass die Anleger mit jeder Hiobsbotschaft mehr Klarheit über das Ausmaß der Krise gewinnen würden. Und das sei absolut positiv. Tatsächlich gilt Ungewissheit in der psychologischen Forschung als größerer Stressor als unangenehme oder negative Nachrichten. Und tatsächlich erleichtert Gewissheit über das Schadensausmaß die Risikoeinschätzung. Dieser Prozess ist in der Risikoanalyse wohlbekannt.

Demnach hatte die Ungewissheit der vergangenen Wochen und Monate darüber, wie viele wertlose Papiere in den Büchern der Finanzinstitute wohl noch schlummern, die Investitionslust der Anleger gelähmt. Viele befolgten den Rat von Experten, möglichst viel Cash zu halten. Je mehr Anleger aber nun über das genaue Schadensausmaß erfahren, desto besser können sie das Risiko abschätzen. Sie können besser bewerten, ob das Risiko, dass sie mit einem Investment etwa in Bankaktien eingehen, für sie akzeptabel ist – was offenbar der Fall ist.

Nichts Genaues weiß man nicht?
Soweit die Theorie. Doch kennen die Finanzmärkte nun tatsächlich das genaue Ausmaß der Krise? Ist nun das Schlimmste vorüber? Kein ernstzunehmender Experte wagt im Moment, diese Fragen mit "ja" zu beantworten. Im Gegenteil: Vermögensverwalter Bert Flossbach hält die extremen Kurssteigerungen bei Finanztiteln am Dienstag für eine "klassische Bärenrally" oder gar für einen "Aprilscherz". Auch EU-Finanz-Kommissar Joaquín Almunia sieht den Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise noch nicht erreicht: "Wir haben noch immer keinen Überblick über das gesamte Ausmaß der Verluste."

Transparenz mag zwar als das Heilmittel der Stunde gelten. So sind auch nach Ansicht von Bundesbankchef Axel Weber zuallererst die Banken selbst gefordert: "Banken, die hohe Risiken eingegangen sind, müssen ihre Verluste offen legen", verlangte der Bundesbanker. Doch das ist eine hehre, nahezu unmöglich zu erfüllende Forderung: "Ein Herr Ackermann weiß doch gar nicht genau, welche und wie viele Subprime-Papiere die Deutsche Bank noch besitzt", betont Flossbach im Gespräch mit boerse.ARD.de.

"Finger weg" von Bankaktien!
Laut einer Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young haben die Banken die Finanzkrise noch lange nicht überstanden und faule Kredite von rund 200 Milliarden Euro in ihren Büchern stehen. "Worte wie Klarheit und Gewissheit sollte man in Zusammenhang mit Banktiteln also besser nicht in den Mund nehmen. Das einzige, was gewiss ist, ist, dass man besser die Finger von diesem Zeug lassen sollte", warnt Flossbach.

Mit Blick auf den Gesamtmarkt sind dagegen viele Experte eindeutig optimistischer eingestellt: "Wir sind überzeugt, dass sich für langfristig orientierte Investoren derzeit wieder interessante Kaufgelegenheiten abzeichnen", meint Andreas Utermann, der die globale Aktienstrategie für Allianz Global Investors verantwortet.

Auch andere deutsche Vermögensverwalter sehen Licht am Ende des Tunnels und erste Anzeichen für ein rückkehrendes Interesse der Anleger an Aktien. Im Februar verbuchte die Investmentbranche erstmals seit Monaten wieder Milliarden-Zuflüsse in Aktienfonds. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Statistik des Bundesverbands Investment und Asset Management (BVI) hervor. Von einer wirklichen Trendwende mag indes noch niemand sprechen.
http://boerse.ard.de/content.jsp?key=dokument_285166
 
"Rote Null" beim Defizit
Deutschland lässt nach

Deutschland hat nach einem geringen Überschuss 2007 der EU-Kommission für das laufende Jahr wieder ein Staatsdefizit von 0,5 Prozent angezeigt.

"Für 2008 wird eine 'rote Null" in Höhe von minus 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gemeldet", teilte das Finanzministerium in seinem Informationsdienst am Mittwochabend mit. Im Vorjahr hatte die Quote bei einem Mini-Überschuss von 400 Mio. Euro und damit einer sogenannten "schwarzen Null" gelegen.

Ein Jahr zuvor gab es noch ein Defizit von 1,6 Prozent. "Nach einigen Jahren mit einer deutlich höheren Neuverschuldung - auch über der im Maastricht-Vertrag festgelegten Drei-Prozent-Grenze - schreitet die Konsolidierung damit voran", erläuterte das Ministerium.

Die leichte Verschlechterung im laufenden Jahr sei vor allem Folge der Reform der Unternehmensbesteuerung und der Absenkung der Beiträge für die Arbeitslosenversicherung, hieß es in dem Informationsbrief weiter. Mit diesen Maßnahmen trage Deutschland aber zu mehr Wachstum und Beschäftigung bei. Die Entwicklung beschäftigt auch die EU-Finanzminister auf einem Treffen in Slowenien Ende der Woche.

Auf längere Sicht rechnet das Ministerium mit einer Rückkehr zu einem ausgeglichenen Staatshaushalt im Jahre 2009. Für die Jahre 2010 und 2011 sind dann Überschüsse von jeweils 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts eingeplant.

Mit der positiven Entwicklung bei der Neuverschuldung verlangsamt sich auch der Anstieg der Gesamtschulden. Insgesamt sei die Staatsverschuldung 2007 nur noch um sieben Mrd. Euro gewachsen. Ihr Volumen belief sich damit nach Zahlen der Bundesbank zum 31. Dezember 2007 auf 1576 Mrd. Euro. Das entspreche einer Schuldenquote von 65 Prozent nach 67,6 Prozent im Jahr zuvor. Die liegt allerdings noch um einiges über der vertraglich festgelegten europäischen Grenze von 60 Prozent. 2002 und 2005 hatte Deutschland noch regelmäßig die europäische Defizit-Obergrenze von drei Prozent übertroffen.
http://www.n-tv.de/943371.html?030420080943
 
Vier Milliarden Euro versenkt
Krisenbilanz der BayernLB

Die internationale Kreditkrise hat die BayernLB mit Belastungen von bisher 4,3 Mrd. Euro weit härter getroffen als bisher angenommen. Insgesamt 2,3 Mrd. Euro der Abschreibungen schlagen auf das Ergebnis der Bank durch, wie die BayernLB am Donnerstag in München mitteilte. An echten Zahlungsausfällen seien bisher rund 100 Mio. Euro verbucht worden.

"Was letztlich tatsächlich ausfallen wird, weiß heute niemand", sagte der neue BayernLB-Chef Michael Kemmer. Man nehme die Finanzmarktkrise sehr ernst, "auch wenn wir keine unmittelbare Bedrohung unserer Bank erkennen können." Mit den Anteilseignern Freistaat Bayern und den bayerischen Sparkassen werde an einer Lösung gearbeitet.

Im Sog der Finanzkrise

Zunächst hatte die BayernLB ihre Belastungen aus der Finanzkrise auf 1,9 Mrd. Euro für das Jahr 2007 beziffert, aber bereits angekündigt, dass es zu weiteren Korrekturen kommen werde. Nach der Bekanntgabe der ersten Einschätzung hatte der frühere BayernLB-Chef Werner Schmidt seinen Posten räumen müssen. Die Spekulationen um die BayernLB sorgen seit Wochen auch für politischen Zündstoff in Bayern. Am Donnerstag sollte auch der BayernLB-Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags offiziell eingesetzt werden.

Insgesamt bezifferte die Bank das Volumen ihrer von Abwertung bedrohten Wertpapierbestände auf 24 Mrd. Euro. Ähnlich wie die WestLB plant die BayernLB, dieses Portfolio in eine Zweckgesellschaft auszugliedern und gegen Ausfallrisiken von bis zu 6 Mrd. Euro abzuschirmen. Davon würden auf die Bank selbst 1,2 Mrd. Euro als Selbstbehalt entfallen, für die übrigen 4,8 Mrd. Euro könnten den Plänen zufolge die Gesellschafter garantieren, also der Freistaat Bayern und die Sparkassen. Man stehe bereits in Kontakt mit der EU-Kommission, sagte Kemmer.

"Was kommt, weiß niemand"

Derzeit stellt sich die Bank auf einen maximalen Zahlungsausfall von 1,2 Mrd. Euro ein. Kemmer räumte aber ein: "Was letztlich kommt, weiß niemand. Auch die 1,2 Mrd. Euro basieren auf Modellrechnungen mit aus heutiger Sicht plausiblen Parametern." Zugleich verteidigte der BayernLB-Chef die Anlagestrategie der Bank. "Lassen Sie mich dem oft verbreiteten Eindruck entgegenwirken, dass sich die Bank hier auf ein Feld begeben hätte, auf dem sie eigentlich nichts verloren hat." Die Bank habe sich nach bestem Wissen mit Papieren guter Qualität eingedeckt. Das Problem sei weniger die mangelnde Qualität der Anlagen gewesen, "sondern die Tatsache, dass es für diese Papiere keinen Markt mehr gibt".

Rund 2,3 Mrd. Euro der bisher insgesamt 4,3 Mrd. Euro an Wertminderungen fielen bis Jahresende 2007 an, die übrigen 2 Mrd. Euro im ersten Quartal dieses Jahres. Auf das Jahresergebnis 2007 drückten die Belastungen mit 1,2 Mrd. Euro. Unter dem Strich brach das Ergebnis der Bank so von 989 Mio. Euro im Vorjahr auf 175 Mio. Euro ein. Das Ergebnis des ersten Quartals schmälerten die Belastungen um 1,1 Mrd. Euro.

Risikomanager gefeuert

Unterdessen haben die Mrd.-Belastungen einen weiteren BayernLB-Manager das Amt gekostet. Der Verwaltungsrat der Bank beschloss in seiner Sitzung am Vorabend die Abberufung des für das Risikomanagement zuständigen Vorstands Gerhard Gribkowsky mit sofortiger Wirkung. Gribkowskys Aufgaben übernimmt sein Kollege Ralph Schmidt. Zu den Hintergründen der Entscheidung wollte sich Kemmer nicht äußern. "Das sind Themen, die wir in der Öffentlichkeit nicht diskutieren sollten. Wie meistens in solchen Fällen hat es aber ein Bündel von Ursachen."
http://www.n-tv.de/943340.html?030420081107
 
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit
Erste EU-Beschlüsse zur Abwehr von Finanzkrisen
Von Werner Mussler, Brdo

In der EU soll die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden, Notenbanken und zuständigen Ministerien zur Vorbeugung und Bewältigung von Finanzkrisen verstärkt werden. Die EU-Finanzminister und -Notenbankchefs haben sich am Freitag zum Auftakt ihres informellen Treffens im slowenischen Brdo auf eine entsprechende Absichtserklärung („Memorandum of Understanding“) verständigt. Sie sieht den Aufbau sogenannter Stabilitätsgruppen für alle Finanzinstitute, also für Banken, Versicherungen und Börsen, vor, die in mehreren Ländern tätig sind. Ziel der Vereinbarung ist es, systemische Risiken an den Finanzmärkten zu verringern. Auf die laufende Finanzmarktkrise dürfte sie indes kaum Auswirkungen haben.

Die – für jedes Institut maßgeschneiderten – Stabilitätsgruppen sollen sich jeweils aus jenen Aufsichtsbehörden, Notenbanken und Ministerien zusammensetzen, in denen die betroffenen Institute tätig sind. Die Erklärung nennt 46 Institute, für die in der EU voraussichtlich eine solche Gruppe einzurichten wäre.

Besser vorbereitet für den Krisenfall?

In Delegationskreisen hieß es allerdings, voraussichtlich werde die Zahl etwas geringer ausfallen. In Deutschland seien mindestens die Deutsche Bank, die Allianz, die Münchener Rück sowie – über Unicredit – die HVB betroffen. Die Gruppen sollten künftig bereits für „Friedenszeiten“ eingerichtet werden, in denen die nationalen Gremien untereinander Informationen über das betroffene Institut austauschen und sich eng abstimmen sollen. So seien sie auch für den Krisenfall besser vorbereitet. Was die Gruppen in diesem Fall konkret tun sollen, lässt die Erklärung indes weitgehend offen.

Die Initiative zur Einrichtung einer Stabilitätsgruppe soll jeweils von dem Mitgliedstaat ausgehen, in dem das Institut seinen Sitz hat. In der deutschen Delegation hieß es, man werde dies für die betroffenen deutschen Institute rasch in Angriff nehmen. Die Deutsche Bank werde einen solchen Schritt sicher begrüßen.

„Eine beträchtliche Dynamik“

Wie viele Stabilitätsgruppen in der EU insgesamt eingerichtet werden, lässt sich nicht genau abschätzen, weil die Erklärung keinen Mitgliedstaat verpflichtet, sich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit anzuschließen. In Brdo hieß es aber, jene Länder mit bedeutenden Finanzplätzen wie Deutschland, Großbritannien und Frankreich würden die Einrichtung der Gruppen auf alle Fälle vorantreiben. Es sei zu erwarten, dass dadurch eine „beträchtliche Dynamik“ entfaltet werde. Darüber hinaus diskutierten die Minister und Zentralbankchefs eine Vielzahl weiterer Schritte zur Krisenprävention, die in verstärkter grenzüberschreitender Zusammenarbeit und in einer zusätzlichen EU-Regulierung bestehen könnten.

Mehrere Minister sagten, die aktuelle Finanzmarktkrise werde noch einige Zeit andauern. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) erwartet, dass etliche betroffene Institute ihre Verluste erst zum Jahresende realisieren würden. Der Minister verteidigte in Brdo vor seinen Kollegen die staatliche Rettung der angeschlagenen Mittelstandsbank IKB. Er habe verhindern wollen, „dass eine Bank insolvent wird mit der Folge, dass Einlagen – in diesem Fall von 24 bis 25 Milliarden Euro – plötzlich einem Insolvenzverfahren überantwortet werden, mit vielleicht einem Verlust von 80 Prozent“.
http://www.faz.net/s/Rub0E9EEF84AC1E4A389A8DC6C23161FE44/Doc~EE9DF06C87C7647FD83EB643D8AE23309~ATpl~Ecommon~Scontent.html
 
Im Porträt: Ben Bernanke
Der Retter
Von Claus Tigges

Ben Bernanke hat mehr Glück gehabt als sein Vorgänger Alan Greenspan: Dem blieben nach seinem Amtsantritt 1987 nur wenige Wochen, dann musste er während des großen Börsenkrachs im Oktober seine erste ernste Bewährungsprobe als oberster amerikanischer Währungshüter meistern. Bernanke hatte immerhin fast zwei Jahre Zeit zur Eingewöhnung. Erst dann zerplatzte eine Blase auf dem Immobilienmarkt, prallte mit großer Wucht auf den Markt für Hypothekendarlehen und brachte das Finanzsystem ins Wanken.

Seit einigen Monaten sind die Arbeitstage des Ökonomen an der Spitze der mächtigsten Notenbank der Welt länger geworden. Auch an den Wochenenden sitzt Bernanke nun in seinem Büro an der 20. Straße im nordwestlichen Viertel der amerikanischen Hauptstadt. Die Gefahren an den Finanzmärkten erfordern seine ganze Aufmerksamkeit.

Kampf an mehreren Fronten

Der 54 Jahre alte Währungshüter, der viele Jahre an der Eliteuniversität Princeton lehrte und forschte, ehe er 2002 nach Washington kam, muss nun an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen: Die Konjunktur ist ins Straucheln geraten, Amerika steckt womöglich zum ersten Mal seit sieben Jahren in einer Rezession.

Außerdem lauern Gefahren im Finanzsystem, weil viele Marktakteure, von Investmentbanken bis zu Hedge-Fonds, in einer schier unstillbaren Gier nach Rendite blindlings in riskante Wertpapiere investiert haben, die mit Forderungen aus zweitklassigen Hypothekendarlehen besichert und angesichts der Zahlungsunfähigkeit vieler Schuldner nun kaum noch etwas wert sind.

Bernanke hat den Kampf aufgenommen und im Spätsommer 2007 einen Kurswechsel in der Geldpolitik eingeleitet. Seither hat die Fed den Tagesgeldzins schnell insgesamt um drei Prozentpunkte gesenkt, und sie hat eine Reihe neuer Kreditlinien geschaffen, mit deren Hilfe sie die bedrängten und verunsicherten Banken so lange mit zusätzlicher Liquidität versorgen wird, bis die Spannungen an den Märkten überwunden sind.

Er handelt nicht aus Instinkt

Bernanke, der bei öffentlichen Auftritten stets einen ruhigen, gewissenhaften und besonnenen Eindruck erweckt, handelt nicht aus Instinkt. Im Gegenteil: Er vertraut auf die Einsichten, die ihm seine ökonomische Forschung verschafft hat. Schon als junger Professor an der Stanford-Universität in der ersten Hälfte der achtziger Jahre hat sich Bernanke eingehend mit der Großen Depression in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts und deren Ursachen beschäftigt.

Eines seiner Ergebnisse: Eine falsche Geldpolitik löste die Krise damals aus, weil die Fed den Zusammenbruch vieler Banken nicht verhinderte und zuließ, dass das Geldangebot schrumpfte. Die Depression habe nicht zuletzt deshalb so lange gedauert, weil der Abschwung durch die Probleme im Finanzsystem verstärkt wurde.

Vor diesem Hintergrund erscheint es logisch und angemessen, dass Bernanke in der aktuellen Lage viel zusätzliches Geld in die Wirtschaft pumpt; in der Hoffnung, es werde die Gemüter der verunsicherten Banker beruhigen und der Wirtschaft wieder auf die Beine helfen. Die Fed erfüllt in diesen Wochen ihre Aufgabe als "lender of last resort", als "Kreditgeberin der letzten Instanz", weil sich die Banken untereinander nicht mehr über den Weg trauen.

Bewusst Ausfallrisiken übernommen
Auf Geheiß Bernankes und seiner Kollegen nimmt die Federal Reserve Bank von New York als Sicherheit für die Kredite an Banken, Investmentbanken und Wertpapierhäuser nicht mehr nur Anleihen allererster Güte herein, sondern auch jene Papiere, hinter denen die faulen Hypothekendarlehen stecken. Damit übernimmt die Fed bewusst das Ausfallrisiko dieser Papiere, ein Vorgehen, für das letztlich die Steuerzahler geradestehen müssen.

Kritik muss sich Bernanke derzeit gleichwohl nicht so sehr wegen dieser Liquiditätsspritzen gefallen lassen, als vielmehr für die von ihm und dem Präsidenten der Fed in New York, Tim Geithner, ins Werk gesetzte Rettungsaktion für die angeschlagene Investmentbank Bear Stearns. Aus der Angst heraus, ein Zusammenbruch könnte eine gefährliche Kettenreaktion auslösen und das Finanzsystem zusammenklappen lassen, haben sie einen Kredit von 29 Milliarden Dollar bewilligt. Mit dem Geld hat die Fed das Ausfallrisiko für das riskante Milliarden-Engagement von Bear Stearns auf dem Hypothekenmarkt auf ihre Bücher übertragen und so den Verkauf an die Investmentbank J.P. Morgan erst ermöglicht.

Kritikwürdig ist dieses Vorgehen vor allem deshalb, weil Bernanke damit ein Stück weit die gierige und verantwortungslose Geschäftsstrategie von Bear Stearns belohnt und das Geld womöglich von den amerikanischen Steuerzahlern gezahlt werden muss. Bernanke wird sich darüber im Klaren sein, dass er damit "moral hazard" Vorschub leistet: Die Gewissheit, die Fed werde ihnen im Ernstfall zu Hilfe eilen, könnten die Marktakteure zur Vernachlässigung von Risiken verleiten. Aber die Entscheidung zur Rettung von Bear Stearns macht deutlich, dass Bernanke das Risiko einer Systemkrise größer einschätzt als die Gefahr des "moral hazard".

Die Saat für eine neue Preisblase

Ähnlich wie mit der Rettung für eine einzelne Bank verhält es sich mit der aggressiven Lockerung der Geldpolitik. Auch sie birgt den Keim einer Wiederholung in sich. Es bestehen kaum Zweifel, dass die Immobilienblase vor allem deshalb entstehen konnte, weil die Fed - noch unter Greenspans Führung - den Leitzins zu lange zu niedrig gelassen und damit inflationstreibende Liquidität in die Wirtschaft gepumpt hat.

Für einige Zeit zeigte sich diese zu großzügige Geldpolitik nicht in einem schnelleren Anstieg der Verbraucherpreise, sondern führte auf dem amerikanischen Häusermarkt zu sagenhaften Preissteigerungen. Inzwischen ist die Immobilienblase ebenfalls zerplatzt, und die Inflation der Verbraucherpreise beträgt 4 Prozent: ein Niveau, das mit Preisstabilität kaum zu vereinbaren ist.

Indem Bernanke im Bemühen um eine Stabilisierung der Konjunktur die Geldschleusen weit geöffnet hat, bringt er vermutlich die Saat für eine neue Preisblase auf einem Markt für Vermögenswerte aus. Ganz zu schweigen von den Risiken für die Verbraucherpreise. Doch ebenso wie im Fall Bear Stearns schätzt der Währungshüter die Preisgefahren derzeit geringer ein als das Risiko eines scharfen Knicks in der Konjunktur der größten Volkswirtschaft der Welt.

Fed handelt hektischer als andere Notenbanken

Das Handeln der Federal Reserve, auch das wird an der aktuellen Episode deutlich, wirkt unruhiger, hektischer als das anderer Notenbanken. Das hat seinen Grund zumindest zum Teil darin, dass ihr Auftrag nicht ebenso eindeutig definiert ist wie beispielsweise der der Europäischen Zentralbank (EZB). Während die EZB vom Maastrichter Vertrag nur auf die Sicherung der Preisstabilität verpflichtet wird, sind im Federal Reserve Act neben "stabilen Preisen" auch noch "maximale Beschäftigung" und "mäßig hohe langfristige Zinsen" als Ziele der amerikanischen Geldpolitik vorgegeben.

Zwischen der Fed und den Gesetzgebern im Kongress besteht Einvernehmen darüber, dass es sich um ein "duales Mandat" handelt, die Wahrung eines möglichst stabilen Geldwertes also ebenso wichtig ist wie eine niedrige Arbeitslosigkeit. Dieser zweifache Auftrag stammt aus einer Zeit, in der unter Ökonomen die Einschätzung verbreitet war, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage lasse sich durch niedrige Zinsen und eine etwas höhere Inflationsrate dauerhaft stärken.

Diese Vermutung ist zwar seit langer Zeit schon als falsch widerlegt, und auch Bernanke weiß, dass eine allzu großzügige Ausstattung der Wirtschaft mit Liquidität letztlich nur zur Aufweichung der Preisstabilität führt. Aus dieser Einsicht heraus ziehen sich Jean-Claude Trichet und seine Kollegen im Frankfurter Euro-Tower auf die Haltung zurück, dass sie den besten Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung nicht durch ein schnelles Drehen an der Zinsschraube leisten, sondern durch eine verlässliche, einzig auf die Bekämpfung der Inflation gerichtete Politik.

Vom eigenen „direkten Inflationsziel“ noch entfernt
Bernanke hingegen ist davon überzeugt, dass die Geldpolitik zumindest kurzfristig einer ins Stocken geratenen Konjunktur neuen Schwung geben kann - selbst wenn es langfristig keinen Ausgleich zwischen Wachstum und Inflation gibt. Und er weiß auch um die großen Vorteile einer Geldpolitik, die ihren Kurs nicht freihändig steuert, sondern sich an einen Kranz von Regeln hält.

Nicht ohne Grund gilt der Ökonom als einer der eifrigsten Befürworter eines "direkten Inflationsziels" als vermeintlich beste Strategie für eine Zentralbank. In einem solchen Regime geben die Währungshüter zunächst jene niedrige Inflationsrate vor, die sie mittelfristig für wünschenswert und mit ihrem Verständnis von stabilen Preisen für vereinbar halten. Hernach bemühen sie sich mit den Mitteln der Zinspolitik darum, diese Inflationsrate anzusteuern.

Von einem solchen Konzept ist die Fed auch gut zwei Jahre nach Bernankes Amtsantritt ein gutes Stück entfernt. Zwar hat die Notenbank seither einige Schritte auf dem Weg zu mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit unternommen, doch eine stärkere Regelbindung gibt es bisher nicht. Es wäre zu wünschen, dass Bernanke sich nicht nur auf seine Forschungsarbeiten zur Großen Depression verlässt, sondern auch auf die, in denen er die Grundlagen für eine Inflationssteuerung als geldpolitisches Konzept gelegt hat. Die Vorgabe eines Inflationsziels ist lange überfällig. Bernanke muss nun den Mut aufbringen, sich vom Kurs seines Vorgängers zu entfernen. Sonst wiederholt er nur Greenspans Fehler.

Der Mensch
Ben Shalom Bernanke wurde 1953 im amerikanischen Bundesstaat Georgia geboren. Sein Vater besaß eine Drogerie, die sein Großvater - ein Einwanderer aus Österreich - aufgebaut hatte. Der ehemalige Princeton-Professor ist ein renommierter Geldtheoretiker. Bekannt wurde er, als er 2002 in den amerikanischen Zentralbankrat berufen wurde. 2005 holte ihn Präsident George W. Bush als Chef des „Council of Economic Advisers“ ins Weiße Haus. Ein Jahr später trat Bernanke die Nachfolge des langjährigen Zentralbankchefs Alan Greenspan an. Bernanke ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Die Fed
Das Federal Reserve System, oft auch Federal Reserve oder Fed genannt, ist das Zentralbanksystem der Vereinigten Staaten. Es besteht aus dem Board of Governors, zwölf regionalen Federal Reserve Banks und einer Vielzahl von Mitgliedsbanken und anderen Institutionen. Ein wichtiger Unterschied zur Europäischen Zentralbank sind die Ziele. Während die EZB vom Maastrichter Vertrag nur auf die Sicherung der Preisstabilität verpflichtet wird, sind im Federal Reserve Act neben „stabilen Preisen“ auch noch „maximale Beschäftigung“ und „mäßig hohe langfristige Zinsen“ als Ziele der Geldpolitik vorgegeben.
http://www.faz.net/s/Rub0E9EEF84AC1E4A389A8DC6C23161FE44/Doc~E1456D71336BF4E0096FCB46F0597DF62~ATpl~Ecommon~Scontent.html
 
Sinkende Steuern?
Chancen stehen schlecht

Die Chancen auf niedrigere Steuern für Bürger und Unternehmen sind angesichts erwarteter massiver neuer Belastungen für die Staatskassen deutlich gesunken. Das Bundesfinanzministerium erwartet durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts "spürbare" und "nennenswerte" Milliarden-Einnahmeausfälle bei Bund, Ländern und Gemeinden.

Das Gericht hatte gefordert, die steuerliche Absetzbarkeit der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung spätestens von Anfang 2010 an zu verbessern. "Jede weitere Steuersenkungsdebatte wird nicht leichter", sagte Sprecher Torsten Albig dazu. Auch die Herausforderung, bis 2011 einen ausgeglichenen Bundesetat ohne neue Schulden vorzulegen, werde nicht leichter.

Die Höhe der Milliardenausfälle für die öffentlichen Haushalte ist laut Albig nach wie vor offen. Steuer- und Haushaltsexperten des Ministeriums sind noch uneins über die Höhe des künftig absetzbaren Kassenbeitrags. "Das Urteil wird so umgesetzt, wie es umgesetzt werden muss." Nach Berechnungen des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung für das "Handelsblatt" beträgt das neue Haushaltsloch mindestens neun Milliarden Euro.

Dem Vernehmen nach sollen die Ausfälle im Steuerbereich gegenfinanziert werden. Albig sagte dazu lediglich: "Ob wir dieses auffangen können, werden wir sehen. Das steht noch nicht fest."

Nach dem Mitte März veröffentlichten Urteil der Karlsruher Richter muss der Gesetzgeber bis Ende 2009 eine Neuregelung erlassen. Steuerzahler können dann damit rechnen, einen größeren Teil ihrer Kassenbeiträge steuermindernd absetzen zu dürfen. Dies führe in allen öffentlichen Haushalten von 2011 an zu "nennenswerten" Einnahmeausfällen, hieß es bereits unmittelbar nach der Urteilsverkündung im Finanzministerium vor drei Wochen.

Die CSU pocht auf rasche Steuersenkungen und die Wiedereinführung der alten Pendlerpauschale vom ersten Kilometer an. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte den Forderungen unter Hinweis auf die Haushaltssanierung eine Absage erteilt. Die CDU will Steuersenkungen in der neuen Wahlperiode nach Ende 2009 angehen und nach Erreichen eines ausgeglichenen Bundesetats. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm bekräftigte: Alle ausgabenwirksamen Vorschläge "müssen sich am Ende vereinbaren lassen mit dem Ziel, den Haushalt auszugleichen".

Durch die sich abkühlende Konjunktur und die anhaltenden Finanzmarktturbulenzen, Beschlüsse der Koalition sowie zusätzlichen Ausgabenforderungen der einzelnen Ressorts steht der Bundeshaushalt auch ohne das jüngste Karlsruher Urteil vor hohen zusätzlichen Milliardenlasten. Die Handlungsspielräume würden nicht erweitert, sagte Albig. Diejenigen, die zusätzliche Steuersenkungen planten, würden "überraschend jetzt feststellen, dass man möglicherweise eine ganze Menge Geld schon in die Hand nehmen muss, um etwas umzusetzen, was uns das Verfassungsgericht ins Stammbuch geschrieben hat".
http://www.n-tv.de/945273.html?070420081609
 
Kreditkrise schreckt ab
Immer weniger Aktionäre

Die Börsenturbulenzen in Folge der weltweiten Kreditmarktkrise haben im vergangenen Jahr zu einer regelrechten Flucht der deutschen Privatanleger aus Aktien geführt. Nur noch rund 3,8 Millionen Deutsche oder 5,8 Prozent der Bevölkerung hielten zum Jahresende direkt Aktien in ihren Depots, wie das Deutsche Aktieninstitut (DAI) auf seiner Jahrespressekonferenz in Frankfurt am Main mitteilte.

Damit liegt die Zahl der direkten Aktionäre niedriger als 1992. Zu Zeiten der Interneteuphorie im Jahr 2000 seien es noch 2,5 Millionen mehr gewesen. "Diese Entwicklung ist vermögens- und gesellschaftspolitisch dramatisch", sagte der Präsident des DAI, Max Dietrich Kley. Wenn sich die Menschen nicht mehr in unternehmerischen Beteiligungen engagierten, würden Renditevorteile der Aktie für den Vermögensaufbau verschenkt. Früher oder später werde zudem das Gespür für wirtschaftliche Zusammenhänge leiden.

Auch im laufenden Jahr werde es bei anhaltendem Auf und Ab an den Börsen nicht besser aussehen. Auch die drohende steuerliche Mehrbelastung Anfang 2009 durch die Abgeltungssteuer sei ein Hemmschuh für die Aktienkultur, sagte Kley.

Dabei hatte es im ersten Halbjahr mit 4,3 Millionen Aktionären noch nach einem guten Jahr für Aktien ausgesehen: Der Dax hatte am 13. Juli mit 8151 Punkten ein Rekordhoch erreicht, bevor er im Zuge der Hypothekenkrise absackte. Im Gesamtjahr legte er dennoch knapp 23 Prozent zu, seit Jahresbeginn 2008 ging es allerdings aus Furcht vor den Folgen der US-Hypothekenkrise knapp 16 Prozent abwärts.

Direktanlagen könnten weiter sinken

Kley betonte, dass die Vertrauenskrise ein "Problem zwischen den Banken" sei und die Realwirtschaft noch nicht erreicht habe. "Die Kette schlechter Nachrichten von einer Vertrauenskrise über eine Kreditkrise bis möglicherweise hin zu einer Ertragskrise der Banken scheint dabei nicht abzureißen", sagte Kley. Das könnte auch in diesem Jahr die Flucht aus Aktien weiter anheizen. "Die drastischen Kurseinbrüche an den internationalen Aktienmärkten Anfang 2008 dürften den Ausstieg deutscher Anleger aus der Aktie forcieren und damit das Direktengagement weiter verringern", hieß es im Jahresbericht des DAI. "Es ist derzeit sicher kein Klima, das viele reizt in den Markt einzusteigen", räumte DAI-Chef Rüdiger von Rosen ein.

Kley forderte politische Gegenmaßnahmen, um die Aktienakzeptanz wieder zu steigern. So solle unter anderem die Mitarbeiterbeteiligung in Unternehmen gefördert werden. Zudem fürchtet das DAI wegen der Abgeltungssteuer einen Wechsel von der Aktien-Direktanlage in andere Anlageformen, da Aktienerträge durch die Steuer besonders stark belastet würden. Die Belastung aus der Abgeltungssteuer müsse auf maximal 20 Prozent gesenkt werden, forderte das DAI. Sollte das nicht erreicht werden, schlägt das Institut unter anderem die Verrechnung der Verluste aus Aktiengeschäften mit sonstigen Kapitalerträgen und eine deutliche Erhöhung des Sparer-Pauschbetrages vor.

Insgesamt hielten laut DAI Ende 2007 nur noch zehn Millionen Deutsche Aktien, entweder direkt oder über Fonds. Das sei der niedrigste Stand seit dem Jahr 2000. Allein im zweiten Halbjahr hätten per saldo rund 400.000 Anleger dem Aktienmarkt den Rücken gekehrt.

Allerdings: Vermögensverwalter bemerken momentan erste Anzeichen eines rückkehrenden Interesses - laut Fondsverband BVI haben Aktienfonds im Februar erstmals wieder Milliarden-Zuflüsse verzeichnet. Neben Aktien und Aktienfonds haben sich zunehmend auch Zertifikate als Anlageklasse etabliert.
http://www.n-tv.de/945252.html?070420081605
 
Das Wort zum Dienstag!


Noch Fragen Kienzle?



Wall Street Wants Student Debt as Collateral for Fed (Update1)
By Sarah Mulholland

April 7 (Bloomberg) -- Wall Street is pressing the Federal Reserve to take bonds backed by student loans as collateral in its new lending facility to stem a slump in demand for the debt that's driving lenders to stop writing loans.

The American Securitization Forum and the Securities Industry and Financial Markets Association asked for acceptance of AAA rated securities in an April 2 letter to the Federal Reserve Board and the Federal Reserve Bank of New York.

The lobbying effort follows the central bank's willingness to take on more mortgage-related debt to unfreeze the market for asset-backed securities. Student loan companies are paying more to raise money as investors shun the securities, after a collapse of credit markets last year that began with record losses on subprime-backed debt. CIT Group Inc., NorthStar Education Finance Inc. and Brazos Higher Education Service Corp. are among companies that suspended new originations.

``There is a big concern among a lot of originators that there will not be enough capital available for all eligible students to receive government-subsidized loans,'' Tom Deutsch, deputy executive director of the American Securitization Forum said in a telephone interview today from New York.

The Term Securities Lending Facility was created last month by the Fed to pump money into financial markets by extending credit to primary dealers of U.S. government debt.

Stopped Writing Loans

Among the collateral it accepts are AAA rated private label residential and commercial mortgage backed securities as well as collateralized mortgage obligations not on review for downgrade and backed by Fannie Mae, Freddie Mac or government agency Ginnie Mae, according to a chart on the New York Fed's Web site.

``We don't have anything, beyond what's already out there, to say about the collateral,'' New York Fed spokesman Andrew Williams said.

At least 40 lenders have ceased writing some form of student loans as the cost of raising money in the asset-backed market has skyrocketed, according to a report from UBS AG. Sales of bonds backed by student loans have dropped 65 percent this year compared with the first quarter of 2007, the analysts led by Laurie Goodman in New York said.

Legislative changes enacted last September increased the costs for student loan companies to originate new loans under the Federal Family Education Loan Program. More than 85 percent of loans originated under the program were financed in the asset-backed market, according to the letter from the securities groups.

Applications Due

About 6.7 million students and parents are expected to apply for a loan under the program in coming months, the letter said, noting that three-quarters of all student loan volume is originated between April and September.

Bonds backed by student loans are losing value for the first time since at least 1999 as competing investments offer higher yields and banks tighten terms on lending against the securities.

Securities with student loans as collateral have fallen 4.2 percent this year after recording their first back-to-back monthly decline in February and March, according to a Merrill Lynch & Co. index of 186 issues from Reston, Virginia-based SLM Corp. that began nine years ago.

To contact the reporter on this story: Sarah Mulholland in New York at smulholland3@bloomberg.net
 
07.04.2008 14:25

Mangelware: Aktionäre in Deutschland

Die Kursturbulenzen an den Finanzmärkten vertreiben die Anleger in Scharen von der Börse. Ende 2007 besaßen weniger Deutsche Aktien als 1992. Dieser Trend dürfte in diesem Jahr weiter anhalten, befürchtet das Deutsche Aktieninstitut.


Einmal im Jahr informiert das Deutsche Aktieninstitut DAI über die Akzeptanz der Aktie hierzulande. Die Bilanz, die das DIA für das vergangene Jahr präsentierte, fällt sehr nüchtern aus: 2007 war kein gutes Jahr für die Aktie, teilte das Institut mit und fügte hinzu, das derzeitige Börsenklima würde Anleger kaum reizen, einzusteigen.

Dieses Resümee, das DAI-Chef Rüdiger von Rosen angesichts von Finanzkrise und fallenden Kursen zog, speist sich aus den Zahlen, die diese Flucht beschreiben. Allein in der zweiten Jahreshälfte ging die Zahl der Direktaktionäre in Deutschland um 400.000 zurück, auf 3,8 Millionen. :shock:

Damit besitzen weniger Deutsche Aktien als 1992, eine Tendenz, die DAI-Präsident Max Dietrich Kley "vermögens- und gesellschaftspolitisch dramatisch" findet.

Im Vergleich zum Börsenboomjahr 2000 gebe es 2,5 Millionen weniger Aktionäre.


Krise und Allzeithoch
Die nahe liegende Erklärung für den Exodus aus der Aktie findet der DAI in der Finanzkrise. Die amerikanische Hypothekenkrise hatte Mitte 2007 die Börse kräftig unter Druck gesetzt. Der Dax erreichte zwar Ende 2007 noch ein Allzeithoch, viele Anleger hatten aber schon vorher die Reißleine gezogen.

Der Schrumpfungsprozess dürfte sich, so die Befürchtung des DAI, in diesem Jahr fortsetzen. "Die drastischen Kurseinbrüche an den internationalen Aktienmärkten Anfang 2008 dürften den Ausstieg deutscher Anleger aus der Aktie forcieren", heißt es im DAI-Jahresbericht. Besserung sei nicht in Sicht, die im kommenden Jahr drohende Abgeltungssteuer würde die Aktie als Anlageprodukt noch unattraktiver machen, findet der DAI.

Abgeltungssteuer runter!
Die Frankfurter Verfechter für Aktienkultur haben allerdings ein paar Vorschläge parat, wie sie die Börse für den Privatanleger attraktiver machen würden. Zunächst sollte die Belastung aus der Abgeltungssteuer auf höchstens 20 Prozent gesenkt werden. Ferner sollte die Mitarbeiterbeteiligung an Unternehmen gefördert werden, schlägt DAI-Präsident Max Dietrich Kley vor.

Die am Unternehmen beteiligten Mitarbeiter müssten dann allerdings auch mit den möglichen Verlusten leben. Die UBS beispielsweise, berichtet die NZZ am Sonntag, hatte ihre Mitarbeiter stets ermutigt, in eigene Aktien zu investieren. Wegen der Finanzkrise müssen die UBS-Mitarbeiter jetzt etwa zehn Milliarden Franken Verlust verkraften. Ob die Angestellter einer börsennotierten Firma in schwierigen Zeiten dieses Risiko freiwillig einzugehen bereit sind, dürfte fraglich sein.
 
Finanzkrise kostet fast eine Billion Dollar

Der Internationale Währungsfonds (IWF) befürchtet bis zu 945 Milliarden Dollar (603 Milliarden Euro) Verluste als Folge der von den Vereinigten Staaten ausgehenden Finanzkrise. Diese entstünden durch die fallenden Immobilienpreise in Amerika, Hypothekenausfälle, aber auch durch andere Kreditarten sowie mit Geschäftsimmobilien und bei Verbraucherkrediten, schreibt der IWF in seinem am Dienstag vorgelegten Bericht zur Stabilität der weltweiten Finanzmärkte.

Zwar seien diese Schätzungen unpräzise, doch stehe der Finanzsektor vor weiteren Belastungen. Zudem stiegen die Sorgen über Beeinträchtigungen der Realwirtschaft.

Einschneidende Änderungen vorgeschlagen

In seinem Bericht beklagt der Fonds dramatische Mängel im weltweiten Finanzsystem und schlägt einschneidende Änderungen vor. Die aktuelle Krise habe die ganze Zerbrechlichkeit des Systems aufgezeigt. Dabei seien Grundsatzfragen zur Effizienz der Krisenreaktionen von privatwirtschaftlichen und staatlichen Institutionen aufgeworfen worden. Die Risiken für die Stabilität wiesen nach oben.

„Die gegenwärtigen Turbulenzen sind mehr als nur ein Liquiditätsproblem. Sie legen tiefliegende Schwächen in den Bilanzen und dünne Kapitaldecken offen“, befindet der Bericht. Der Fonds warnt vor dem Risiko „einer ernsthaften Finanzierungs- und Vertrauenskrise, die droht, sich über eine erhebliche Periode hinweg fortzusetzen“.

Bestehende Sorgen zur Stabilität des Gesamtsystems würden noch verschärft durch Verschlechterungen in Einzelbereichen, wie schlechteren Kreditqualitäten oder Liquiditätsproblemen begleitet von Erschwernissen bei der Kreditbeschaffung.

Die Herausforderung liege nun darin, schnelle Schritte zur Risikominderung einzuleiten, heißt es in dem IWF-Bericht. Es müssten Notfall-und Sanierungspläne entworfen werden. Zugleich müssten die Grundursachen für die Finanzkrise angegangen werden. Der Fonds unterteilt seine Vorschläge in kurzfristig und eher längerfristig angesetzte.

Kurzfristig Dauer und Tiefe der Krise mildern

Kurzfristig sei notwendig, Dauer und Tiefe der Krise zu mildern. Es gehe um eine Minderung der Unsicherheit an den Finanzmärkten und die Stärkung des Vertrauens. So sollten die betroffenen Banken und Finanzfirmen ihre Verlust zeitnahe offenlegen, Banken-Bilanzen müssten schnell in Ordnung gebracht werden und das Risikomanagement müsse verbessert werden. Auf der öffentlichen Seite sollten die Aufsichtsbehörden für mehr Transparenz und für eine einheitlichere Bewertungspraxis von Risiken sorgen. Sie sollten ihre Aufsicht gerade im Hinblick auf die Kapitalunterlegung von Risiken verstärken und „Stabilitätsberichte“ in Hinblick auf schwer zu bewertende strukturierte Finanzprodukte erstellen. Der Staat sollte zudem bereitstehen, um bei Kollapsgefahren von einzelnen Instituten schnell zu helfen.

Zudem bedarf es laut IWF mittelfristig angelegter Grundsatzkorrekturen. Allerdings sollte die Politik es sich nicht zu einfach machen, indem sie vor allem auf der Regulierungsseite ansetzt. Einzelne IWF-Vorschläge für die Finanzwelt beinhalten die Standardisierung bestimmter Komponenten von strukturierten Finanzprodukten, die Herstellung von Transparenz der Einzelkomponenten von gemischten Produkten und eine Reform des Systems der Bonitätsbewertung (Rating). Auch auf staatlicher Seite seien Schritte geboten, etwa was Bewertungs- oder Aufsichtsfragen angehe. Daneben empfiehlt der IWF etliche Detailverbesserungen beim Liquiditätsmanagement. Auch die Notenbanken müssten ihr Instrumentarium im Lichte der jüngsten Erfahrungen überprüfen.
http://www.faz.net/s/RubEC1ACFE1EE274C81BCD3621EF555C83C/Doc~E4D1A8D3EA8AC42BAA4844BD01D47A51F~ATpl~Ecommon~Scontent.html
 
Mittwoch, 9. April 2008, 15:33 Uhr
Angst vor Hungersnot

Hoher Reispreis macht Asien nervös

Von Oliver Müller

Dramatisch anziehende Reispreise alarmieren Verbraucher und Regierungen in ganz Asien. Dort ist Reis nicht nur ein Grundnahrungsmittel für drei Milliarden Menschen. Für die Masse der Armen bildet das Korn die tägliche Hauptspeise und oft die einzige Mahlzeit. Wegen des Preisanstiegs befürchten Experten Hungersnöte und sorgen sich um die politische Stabilität.

DELHI.
Doch Reis kostet heute doppelt so viel wie vor einem Jahr.
Seit Jahresbeginn schoss der Preis um ein Drittel hoch. Am Dienstag kletterte er um 2,4 Prozent auf 21,50 Dollar je 100 Pfund – einen Rekord und ein Ende der Hausse ist nicht in Sicht. Nach Einschätzung der Weltbank werden die Preise für Nahrungsmittel noch in diesem und im nächsten Jahr weiter klettern, bevor sie danach voraussichtlich wieder leicht fallen werden.

Dieser Trend sei eine Bedrohung für arme Länder, biete aber auch Chancen, sagte Weltbankchef Robert Zoellick. Während die Preisentwicklung einerseits der Landwirtschaft zugute komme, würden Nahrungsmittel gerade für Arme immer weniger erschwinglich. Für Concepcion Calpe, Reis-Expertin bei der Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen (FAO) erhöhen die Preissteigerungen bei Reis das Risiko von Unterernährung. Außerdem könnten sie „ erhebliche politische Instabilität auslösen“.

In vielen Staaten Asiens verschlingt Nahrung noch annähernd die Hälfte der Haushaltseinkommen einer Durchschnittsfamilie. „Oft geben die Ärmsten sogar 60 bis 80 Prozent ihrer Einkünfte nur für Reis aus“, schätzt Achim Dobermann. Der Vize-Forschungschef des International Rice Research Institute (IRRI) im philippinischen Los Banos sieht daher auch in Asien das Risiko von Hunger-Krawallen, wie sie in den vergangenen Wochen bereits von Haiti bis Ägypten ausbrachen.

Bei den Regierungen schrillen bereits die Alarmglocken: „Wir werden jeden ins Gefängnis werfen, der dem Volk Reis stiehlt“, drohte die philippinische Präsidentin Gloria Arroyo Händlern, die für subventionierten Reis Wucherpreise verlangen oder das Korn horten. Als größter Importeur der Welt ist ihr Land besonders betroffen. Aber auch Bangladesch leidet: Das Land ist auf Importe angewiesen, weil im Vorjahr ein Sturm seine halbe Reisernte vernichtet hat.

Doch die globalen Lagerbestände sind auf den niedrigsten Stand seit den 80er-Jahren gesunken.

Und um die Preise im eigenen Land unter Kontrolle zu bringen, drosseln Groß-Exporteure wie Indien, Vietnam und China Ausfuhren oder stellen diese befristet ein.
„Export-Restriktionen verschärfen die Knappheit auf dem internationalen Markt. Das macht die Preise extrem volatil“, sagt FAO-Analystin Calpe. Sie erklärt den jüngsten Preissprung mit Sondereffekten: Plötzlich starke Nachfrage bei sinkendem Angebot. Für 2008 erwartete Calpe gute Ernten: „Panik ist nicht angebracht.“

Die Gründe für den Preisanstieg sind vielschichtig.

Es sei also möglich, dass die Preise bald etwas sinken werden, doch die strukturellen Gründe der Krise bleiben ungelöst: „Asien muss sich auf dauerhaft höhere Reispreise einstellen“, warnt die FAO-Expertin.

Die Gründe sind komplex: Zum einen treibt der globale Run auf Bio-Treibstoffe indirekt auch den Reispreis. Viele Bauern steigen auf den lukrativeren Anbau von Mais, Weizen und Ölsaaten um. Das senkt das Angebot. Zudem halten die Ernten seit Jahren nicht mit dem Bevölkerungsanstieg mit. Außerdem treiben steigende Einkommen die Nachfrage. Die Zahl der Inder, die sich täglich zwei Mahlzeiten am Tag leisten könnten, steige jedes Jahr um mehrere Millionen, beschreibt Indiens Wirtschaftsminister Kamal Nath Fortschritte bei der Armutsbekämpfung.

Asien selbst trägt an den Preissprüngen eine Mitschuld. Rasante Verstädterung vernichtet immer mehr Ackerland. Zudem erhöht wachsender Wohlstand von China bis Pakistan den Fleischkonsum. Landwirte bauen daher verstärkt Futtermittel statt Nahrung an.

Vor allem zahlt der Kontinent nun den Preis für die jahrzehntelange Vernachlässigung seiner Landwirtschaft durch eine auf Industrialisierung fokussierte Politik.

„Seit zwanzig Jahren wird viel zu wenig in Forschung, Ausbildung und in ländliche Infrastruktur wie Bewässerung investiert“, klagt IRRI-Vize Dobermann. Schnelle Abhilfe sei daher unmöglich. Der Forscher geht davon aus, dass die Ergiebigkeit von Reisfeldern je nach Land um 25 bis 40 Prozent gesteigert werden kann.

„Aber die Umsetzung solcher Programme dauert Jahre.“ Möglich, dass die höheren Preise nun Anreize für stärkere Investitionen in den Reisanbau schaffen.
 
Bernanke erwartet keine neue Weltwirtschaftskrise

Nacht Ansicht von US-Notenbankchef Ben Bernanke ist die aktuelle konjunkturelle Abkühlung in den USA nicht mit dem massiven Abschwung im Vorfeld der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren vergleichbar. Zudem erklärte er, wie der krisenanfälligen US-Finanzindustrie wieder auf die Beine geholfen werden könnte.

HB RICHMOND. Zu jener Zeit hätten Zentralbanken Zusammenbrüche von Geldinstituten, Preisverfall sowie das Schrumpfen der Geldmenge zugelassen, sagte der Fed-Chef am Donnerstag. Dies habe zu einer langanhaltenden Rezession geführt. „Wir haben unsere Lektionen daraus gelernt“, betonte Bernanke. Die Fed stelle nun sicher, dass die gute Funktionsfähigkeit des Finanzsystems erhalten bleibe. Das krisenanfällige Modell der US-Finanzindustrie sei an mehreren Schlüsselstellen zusammengebrochen, könne aber durch besseres Risikomanagement, eine größere Transparenz und eine bessere Abstimmung der Aufsichtsbehörden repariert werden.

Nach Ansicht von Finanzminister Henry aulson hat die Kreditkrise die US-Wirtschaft bereits deutlich in Mitleidenschaft gezogen. Vom Immobilien- und Finanzsektor gingen zudem weiterhin Gefahren für die Realwirtschaft aus, sagte Paulson. Das von der Regierung beschlossene Konjunkturpaket werde jedoch eine spürbare Wirkung entfalten.
http://www.handelsblatt.com/News/Konjunktur-%d6konomie/Konjunktur/_pv/_p/200053/_t/ft/_b/1415694/default.aspx/bernanke-erwartet-keine-neue-weltwirtschaftskrise.html
 
Amerikanischer Konsum
Rückgang der Verbraucherausgaben wird statistisch verschleiert
Von Michael Mandel

Für Anleger ist dies der Zeitpunkt des Konjunkturzyklus', an dem ein Vermögen gewonnen oder verloren werden kann. Die amerikanische Wirtschaft durchlebt zum vierten Mal in 25 Jahren eine Rezession.

Wird der Aktienmarkt in Kürze nach oben preschen, wie er es während der Abschwungsphasen 1981-82 und 1990-91 tat? Oder wird sich die Talfahrt der Aktien fortsetzen, wie es während der Rezession 2001 und einige Zeit danach der Fall war?

Rückgang der Verbraucherausgaben wird statistisch verschleiert

Mit zukunftsgerichteten Aussagen über den Aktienmarkt kann man gehörig daneben liegen, es gibt jedoch Grund zu der Annahme, dass ein weiterer Markteinbruch bevorsteht: Ein umfassender Rückgang der Verbraucherausgaben, der bislang durch die eigentümliche Methodik der Regierungsstatistiken verschleiert wurde. Fügt man dem noch den sich rasch abschwächenden Arbeitsmarkt, die hohen Energiepreise und die anhaltende Kreditklemme hinzu, dann ist das Rezept für einen Kursrutsch bei Konsumgüteraktien perfekt. Starke Kursverluste in dieser Sparte könnte letztlich auch eine Sogwirkung auf den restlichen Markt ausüben.

Derzeit sieht es so aus, als hätte die Rezession im November 2007 eingesetzt. Nach den Zahlen des jüngsten Arbeitsmarktberichts des Bureau of Labor Statistics erreichte die Beschäftigung im privaten Sektor zu jener Zeit ihren Höchststand. Seither gingen im privaten Sektor 300.000 Arbeitsplätze verloren, wobei sich der Stellenabbau im Bauwesen, im produzierenden Gewerbe, im Einzelhandel und im Bereich kurzzeitiger/saisonaler Dienstleistungen konzentrierte.

Profiteure des zwanzigjährigen Booms der Verbraucherausgaben

Trotz dieser Arbeitsplatzverluste zeigen die Regierungsstatistiken, dass sich die Verbraucherausgaben zwar abschwächen, inflationsbereinigt jedoch auf einem Allzeithoch verharren. Nach diesen Zahlen scheinen die Amerikaner ihre Ausgaben seit vergangenem Sommer mit einer Jahresrate von 1,4 Prozent gesteigert zu haben - durchaus respektabel angesichts der Turbulenzen auf den Finanzmärkten und der seit dem Jahr 2000 stark angestiegenen Verbraucherverschuldung.

Die scheinbar anhaltende Kauflaune amerikanischer Verbraucher hilft auch bei der Erklärung, weshalb zahlreiche Aktien großer Konsumgüterunternehmen in den vergangenen Monaten trotz der Häusermarktkrise einen beachtlichen Höhenflug verzeichneten. Seit Ende August 2007 stieg der Kurs der Wal-Mart-Aktie um 24 Prozent, während Colgate-Palmolive um 19 Prozent, Avon um 15 Prozent, Coca-Cola und McDonald's um jeweils 13 Prozent und Procter & Gamble um sieben Prozent zulegten. Im gleichen Zeitraum büßte der marktbreite Aktienindex S&P-500 acht Prozent an Wert ein.
In einer Hinsicht ist die Stärke dieser Unternehmen indes keine Überraschung. Sie alle sind auf der Welle des zwei Jahrzehnte währenden Booms der Verbraucherausgaben geritten und haben Anlegern seit 1988 im Schnitt jährliche Gewinne (einschließlich Dividenden) zwischen 14 und 17 Prozent beschert. Zum Vergleich: Der S&P-500 hat im gleichen Zeitraum jährliche Ertragszuwächse von durchschnittlich 11 Prozent erzielt.

Privater Konsum: Eigentümliche Statistikmethoden

Ein genauerer Blick auf die Zahlen zeigt jedoch, dass der Boom bei den Verbraucherausgaben bereits vorbei sein könnte, ohne dass die Anleger davon Wind bekommen hätten. Das Problem besteht nämlich darin, dass die Regierung unter der Bezeichnung „privater Konsum“ ein Sammelsurium an Kategorien versteht, von denen einige nach landläufiger Meinung wenig mit Verbraucherausgaben gemein haben. Zu dem gegenwärtig zehn Billionen Dollar umfassenden privaten Konsum in Amerika zählen etwa Ausgaben für Gesundheitsversorgung (Medicare, Medicaid und private Krankenversicherungen) im Volumen von rund 1,8 Billionen Dollar. Hierbei handelt es sich zwar um reale Geldleistungen, die der Verbraucher jedoch größtenteils nicht beeinflussen kann oder gar zu Gesicht bekommt, da sie in der Regel direkt den Erbringern von Gesundheitsdienstleistungen zufließen.

Zum privaten Konsum zählt die Regierungsstatistik auch „kalkulatorische“ Kategorien, worunter Posten zu verstehen sind, die nicht mit einer tatsächlichen Geldübertragung einhergehen. Als Beispiele seien die beiden größten Posten genannt: 1,1 Billionen Dollar für „Miete“, die Eigenheimbesitzer für ihr selbstgenutztes Wohneigentum theoretisch an sich selbst zahlen, und 240 Milliarden Dollar für „von Finanzintermediären kostenfrei bereitgestellte Dienstleistungen“, wozu etwa der Wert von Dienstleistungen wie gebührenfreie Girokonten zählt.

Nach Ausklammerung der Ausgaben für Gesundheitsdienstleistungen und der beiden kalkulatorischen Kategorien stellt sich heraus, dass der verbleibende Teil des privaten Konsums inflationsbereinigt seit November sogar gesunken ist. Der Rückgang zeigt sich hierbei auf breiter Front: Die um die Inflation bereinigten Ausgaben für Lebensmittel, Kleidung, Möbel und Fahrzeuge sind allesamt rückläufig. Auch die Ausgaben für verschreibungspflichtige Medikamente - jener Teil der Gesundheitsausgaben, der von Privatpersonen am besten gesteuert werden kann - sind gesunken.

Der Gürtel wird etwas enger geschnallt

Auch für Laster wie Alkohol und Glücksspiele wird weniger ausgegeben. Nach der Regierungsstatistik sind die Ausgaben für Spielkasinos und Alkohol seit November rückläufig. Die Glücksspielumsätze im Bundesstaat Nevada (Las Vegas!) sind im vergangenen Jahr um vier Prozent gesunken.
Es mehren sich die Zeichen, dass auch wohlhabende Personen zurückhaltender werden. So sind etwa die Ausgaben für Uhren und Schmuck seit November inflationsbereinigt um 3,9 Prozent zurückgegangen. In einer Umfrage unter vermögenden Amerikanern gaben 42 Prozent der Befragten an, dass sie ihre Haushaltsplanung und ihr Ausgabenverhalten wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich ändern werden. „Diese Leute schnallen ihren Gürtel etwas enger“, sagt George H. Walper Jr., Vorsitzender der Beratungsgesellschaft, die diese Umfrage in Auftrag gab. „Nur weil Personen wohlhabend sind, heißt das nicht, dass sie nicht zur Vorsicht neigen.“

Einige Kategorien der Verbraucherausgaben steigen allerdings auch weiterhin. Reale Ausgaben für „religiöse und soziale Aktivitäten“, zu denen auch politische Spenden zählen, sind im Zuge des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs im Aufwind. Und zumindest bislang steigt die Zahl der von Amerikanern gekauften TV-Geräte und ihre mit Telefonieren verbrachte Zeit.

Nach Ansicht einiger Volkswirte dürfte die Kombination aus niedrigeren Zinsen und den bald bei den Verbrauchern eintreffenden Schecks im Rahmen des amerikanischen Konjunkturprogramms die Verbraucherausgaben vor einem jähen Einbruch bewahren. „Wir gehen davon aus, dass die Verbraucher trotz Rezession der Gesamtwirtschaft einem Abschwung um Haaresbreite entgehen werden“, konstatieren Richard Berne und David Greenlaw in einer unlängst veröffentlichten Studie.

Die überdurchschnittliche Kursentwicklung der Aktien großer Konsumgüterunternehmen scheint eine in diese Richtung tendierende Markterwartung widerzuspiegeln. Sollte der Rückgang der Verbraucherausgaben allerdings anhalten, dann dürfte sich der Markt dem schwerlich entziehen können.

Mandel ist Chefökonom von BusinessWeek
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Lebensmittelpreise alarmierend wie Finanzkrise

Nicht nur die Finanzkrise, auch die steigenden Lebensmittelpreise gefährden die Weltwirtschaft, warnt IWF-Chef Strauss-Kahn. Die Philippinen versuchen bereits verzweifelt, Weizen auf dem Weltmarkt zu kaufen - doch niemand will liefern.

Der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) hat eindringlich vor den Folgen steigender Lebensmittelpreisen gewarnt: Der Preisauftrieb bei Grundnahrungsmitteln sei eine "mindestens ebenso wichtige" Gefahr für die Weltwirtschaft wie die Finanzkrise, sagte Dominique Strauss-Kahn dem französischen TV-Sender France 24. "In einer Anzahl von Ländern, namentlich in Afrika, wird dies zu wirtschaftlichen Turbulenzen führen, aber auch zu beträchtlichem individuellem Leid, weil es eine der Ernährungsgrundlagen destabilisieren wird."

Damit wird wahrscheinlicher, dass sich die Finanzminister und Notenbankgouverneure der sieben großen Industrienationen (G7) bei ihrem Treffen am Freitagabend (Ortszeit) in Washington nicht nur mit den Verwerfungen im internationalen Finanzsystem, sondern auch mit den stark steigende Preisen für Grundnahrungsmittel wie Reis, Mais oder Weizen auseinandersetzen werden. Der britische Premier Gordon Brown hatte bereits gedrängt, das Thema auf die Agenda des Treffens im Vorfeld des Frühjahrstreffen von IWF und Weltbank in der US-Hauptstadt zu nehmen.

Weizen und Reis auf Rekordhoch
Wie schlimm die Lage in einigen Ländern ist, illustrieren nicht nur die heftigen Unruhen der vergangenen Tage im Karibik-Staat Haiti: Dort sprach sich nach Straßenschlachten, die mindestens fünf Todesopfer forderten, nicht nur eine Mehrheit des Senats für den Rücktritt des Ministerpräsidenten Jacques Eduard Alexis aus. Demonstranten riefen auch nach dem Rückzug von Präsident Rene Preval und forderten teils die Rückkehr seines umstrittenen Amtsvorgängers Jean-Betrand Aristide. Haiti gilt als das ärmste Land der westlichen Hemisphäre.

Auch in mehreren afrikanischen Staaten hatte es bereits gewalttätige Auseinandersetzungen gegeben, nachdem die Lebensmittelpreise kräftig angezogen hatten. Auf dem Weltmarkt haben die Notierungen für Reis und Weizen in diesem Jahr bereits Höchststände erreicht.

Hintergrund sind nicht nur schlechte Ernten und eine langsame Umstellung der Ernährung in Schwellenländern hin zu mehr tierischen Lebensmitteln. Auch der Boom beim Biosprit hat für mehr Nachfrage vor allem nach Mais geführt. In Sorge um die Versorgung der eigenen Bevölkerung haben wichtige Exporteure wie Indien und China ihre Ausfuhren an Grundnahrungsmittel bereits gedämpft, indem Beschränkungen erlassen oder Zölle erhöht wurden.

Philippinen suchen Ersatz - ergebnislos
Hart getroffen hat das insbesondere die Philippinen, die der weltweit größte Importeur von Reis sind. Nach einem dramatischen Appell von Präsidentin Gloria Arroyo, keinen Reis zu horten und nicht auf weiter steigende Preise zu spekulieren, versucht die Regierung nun, Ersatz herbeizuschaffen - bislang erfolglos. Handelssekretär Peter Favila sagte am Freitag, China habe eine Bitte der Regierung in Manila, Weizen zu liefern, "freundlich" abgelehnt. Die Chinesen hätten mitgeteilt, sie müssten "ebenfalls ihre Bestände aufstocken".

Medienberichte, wonach die Philippinen 200.000 Tonnen des Grundnahrungsmittels ordern wollte, bestätigte er indes nicht. Eine solche Bestellung hätte etwa zehn Prozent des jährlichen Weizenverbrauchs der Philippinen ausgemacht. Der Handelssekretär betonte, die Regierung habe sämtliche Handelsattachés alarmiert, um Weizenlieferanten zu finden und so Engpässe zu vermeiden.

Fest stehe bereits eins: "Die Preise für Brot werden steigen", sagte Favila. "Entweder das, oder ihre Größe wird schrumpfen." Sowohl Australien als auch die USA seien bereits wegen Weizenlieferungen kontaktiert worden, sagte der Handelssekretär. Das belegt, wie verunsichert die Regierung in Manila ist: Die Botschafterin des engen Verbündeten USA, Kristie Kenny, hatte bereits vor zwei Tagen versichert, die frühere Kolonialmacht werde die Lebensmittelversorgung auf den Philippinen "absolut" sicher stellen.
http://www.ftd.de/politik/international/:Lebensmittelpreise%20Finanzkrise/341796.html
 
Keine Spuren der Bankenkrise
Dickes Steuerplus

Die seit Monaten anhaltende Bankenkrise hat bei den Steuereinnahmen des Staates bisher noch keine Bremsspuren hinterlassen. Sowohl im März als auch im ersten Quartal 2008 lagen sie deutlich über dem Vorjahresniveau und über dem für das Gesamtjahr erwarteten Plus. Wie das Bundesfinanzministerium in Berlin mitteilte, stiegen die Steuereinnahmen im März insgesamt um 8,6 Prozent und in den ersten drei Monaten des Jahres um 7,5 Prozent. Das liegt deutlich über dem Plus von 3,8 Prozent, das in der letzten Steuerschätzung im November für das Gesamtjahr erwartet worden war.

"Wir liegen mit den positiven Zahlen (...) weiterhin auf Kurs", hieß es im Finanzministerium. "Die Risiken, die sich etwa aus der Bankenkrise ergeben können, schlagen sich bislang nicht negativ in den Zahlen nieder." Die weitere Entwicklung bleibe allerdings abzuwarten. Massive Einbrüche bei den Steuereinnahmen seien nach jetzigem Stand aber nicht zu erwarten.

Trotz Senkung der Unternehmenssteuern

Trotz der massiven Senkung der Unternehmenssteuern zum Jahreswechsel lag das Aufkommen aus der Körperschaftsteuer nach Angaben des "Handelsblatt" lediglich um 6,4 Prozent unter dem Vormonatsergebnis. Das entspreche einem Rückgang um 350 Millionen Euro. Das Ergebnis wäre sogar noch besser ausgefallen, wenn es nicht in einem Bundesland zu sehr hohen Erstattungen für 2006 gekommen wäre.


Der März ist der erste Monat im Jahr, in dem die Unternehmen ihre Vorauszahlungen an den Fiskus leisten. Die März-Zahlen zur Körperschaftsteuer dürfen aber nicht überbewertet werden. Sie sind allenfalls ein Referenzwert. Laut "Handelsblatt" hat auch das Aufkommen aus der Lohn- und der Umsatzsteuer deutlich zugelegt.

Aufschlüsse über die weitere Entwicklung gibt die Steuerschätzung Anfang Mai. In Kreisen der Länderfinanzminister wird davon ausgegangen, dass sich die positive Entwicklung so nicht fortsetzt.
http://www.n-tv.de/Keine_Spuren_der_Bankenkrise_Dickes_Steuerplus/110420082516/947463.html
 
13. April 2008, 04:00 Uhr
Von Tina Kaiser, Mitarbeit: Hannelore Crolly, Martin Dowideit
Hunger fördert Gewalt

Wegen des drastischen Anstiegs der Lebensmittelpreise drohen Not und Unruhen in 37 armen Staaten. Die EU trägt eine Mitschuld aufgrund ihrer Subventionspolitik

Haiti könnte nur der Anfang gewesen sein. Tausende junge Männer zogen in der vergangenen Woche durch die Straßen der haitianischen Städte Port-au-Prince und Les Cayes. Sie errichteten Barrikaden, schlugen Autoscheiben ein, zündeten Reifen an, plünderten Geschäfte, Banken und Privathäuser. Fünf Tote und Dutzende Verletzte meldeten die Behörden der Karibikinsel bislang. Grund für die Ausschreitungen war jedoch kein purer Vandalismus. Die Männer kämpfen gegen den Hunger.

Wegen des drastischen Anstiegs der Lebensmittelpreise drohen nach Einschätzung der Welternährungsorganisation Not und Unruhen in 37 armen Staaten. Allein in den vergangenen zwei Monaten explodierten die Preise: Der von Reis stieg um 75, der von Weizen um 120 Prozent, und auch Mais verzeichnet den heftigsten Anstieg seit Jahrzehnten. In den vergangenen acht Monaten haben sich die Ausgaben für Essen laut UN-Welternährungsprogramm verdoppelt.

Einen Teil der Teuerungen kann man zwar durch schlechtes Wetter erklären, Schuld tragen aber auch die Industrienationen. "Die Ärmsten zahlen die Zeche für eine falsche Politik der letzten Jahre", sagt der Welthungerhilfe-Generalsekretär Hans-Joachim Preuß. Einer der Hauptverursacher der Misere ist die Subventionspolitik der Europäischen Union (EU). Größter Sündenfall ist dabei die Milchquote. Nachdem Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao im vergangenen Jahr beschloss, dass jeder der 1,3 Milliarden Chinesen täglich Milch trinken sollte, schießen die Preise weltweit in die Höhe. Trotzdem verknappt die EU die Milchproduktion künstlich, statt auf die steigende Nachfrage zu reagieren.

Die Milchquote legt für jedes Land und jeden Bauern Höchstmengen fest. Wer im Limit bleibt, bekommt Garantiepreise, wer mehr produziert, muss Strafe zahlen. Marktmechanismen entwickeln sich da kaum; trotz der großen Nachfrage können sich Europas Bauern nicht einfach ein paar Kühe mehr in den Stall stellen. Wer Kühe melken will, muss erst einmal bezahlen, sich also eine Erlaubnis zur Milcherzeugung kaufen oder Quoten vom Konkurrenten nebenan übernehmen.

"Die EU sollte die Quoten für Milch sofort abschaffen", fordert Thilo Bode, Chef der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. Es gebe keinen Grund, an dieser absurden Regelung auch nur einen Tag länger festzuhalten. "Durch die künstliche Verknappung treibt die EU den Weltmarktpreis in die Höhe und schädigt so die Dritte Welt." Viel Hoffnung, dass die "verfehlte Subventionspolitik" bald abgeschafft wird, sieht Bode indes nicht. "Es gibt EU-weit keine Strategie für eine solche Politik."

Die Milch-Planwirtschaft bleibt bis 2015 bestehen, das haben die EU-Länder gemeinschaftlich beschlossen. Obwohl die EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer Boel keinen Zweifel daran lässt, dass sie die Quote für unglücklich hält: Ein verfrühter Ausstieg komme nicht infrage, allenfalls die schrittweise Aufstockung für einen "sanften Übergang".

Ähnlich absurd wie die Milchquote ist auch der vom Weltklimarat empfohlene Plan, die Beimischung von Biosprit in Tanks bis 2020 zu verdoppeln. Wenn weltweit das Essen knapp wird, warum soll dann Treibstoff aus Getreide hergestellt werden? Zumal sich die weltweiten Getreidevorräte auf dem tiefsten Stand seit gut 25 Jahren befinden. Hinzu kommt, dass damals fast ein Drittel weniger Menschen auf der Welt waren. Zurzeit steigt die Zahl der Menschen um 75 Millionen pro Jahr. Die landwirtschaftliche Produktion ist seit Beginn des Jahrzehnts dagegen gefallen.

Nach Berechnungen des International Food Policy Research Institute (IFPRI) in Washington würden die Biospritpläne allein den Maispreis um weitere 72 Prozent steigern. Die erhöhten Rohstoffkosten wirken sich auf alle Grundnahrungsmittel aus. Sie würden durch die Biodiesel-Förderung um 30 bis 50 Prozent steigen. Es ist kaum absehbar, was das für Folgen für die rund eine Milliarde Menschen weltweit hätte, die heute von weniger als einem Dollar pro Tag leben.

"Es ist Aufgabe der Politik, auf die Ursachen dieser Preiserhöhungen Einfluss zu nehmen", sagt die stellvertretende Ver.di-Vorsitzende Margret Mönig-Raane. Klimakatastrophen seien von Menschen gemacht. "Und es treten zusätzliche Verschärfungen ein, wenn Getreide nicht als Lebensmittel, sondern als Kraftstoff angebaut wird."

Umweltminister Sigmar Gabriel hat die deutschen Biospritpläne nun zwar gestoppt. Mit der Sorge um die Weltbevölkerung hat das aber wenig zu tun. Die Autofahrerlobby hatte Ärger gemacht, weil etwa drei Millionen deutsche Fahrzeuge den Biosprit nicht vertragen. Auf die nahm Gabriel Rücksicht, nicht auf die Dritte Welt.

Bisher kennen dort nur wenige die Biospritpläne der Industrienationen. Und kaum jemand weiß, dass ein Drittel der US-Maisernte 2008 in Autotanks verfeuert wird und dass sich von der verarbeiteten Maismenge zweier Tankfüllungen ein Mensch ein Jahr lang ernähren könnte.
Aber diese Fakten werden sich herumsprechen - und Aufstände auslösen, gegen die der Protest von Haiti geradezu harmlos war.

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Der Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, hat vor gefährlichen Auswirkungen der weltweit steigenden Lebensmittelpreise gewarnt. "Wenn die Lebensmittelpreise sich weiter so entwickeln wie zur Zeit, werden die Auswirkungen schrecklich sein", sagte Strauss-Kahn auf einer Pressekonferenz zum Abschluss der IWF-Frühjahrstagung am Samstag in Washington.


"Zerrüttung des wirtschaftlichen Umfelds"
"Hunderttausende werden an Hunger sterben, was zur Zerrüttung des wirtschaftlichen Umfelds führen wird", warnte der IWF-Chef. Auf diese Weise könnten die Entwicklungsfortschritte in armen Ländern der vergangenen fünf bis zehn Jahre "vollständig zerstört" werden.


Wachsende Nachfrage
In den vergangenen Monaten hatten gestiegene Lebensmittel- und Energiepreise in mehreren Ländern wie Haiti und Ägypten zu gewaltsamen Unruhen geführt. Zu den Preissteigerungen trägt nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO auch das rasante Wirtschaftswachstum in den bevölkerungsreichen Schwellenländern China und Indien bei. Der dort wachsende Wohlstand lässt demnach die Nachfrage nach Milch und Fleisch steigen und erhöht dadurch den Bedarf an auch als Viehfutter verwendetes Getreide.
 
13. April 2008, 17:54 Uhr
Von Hannelore Crolly
Lebensmittelkrise
Politiker verdammen Biosprit als Hunger-Ursache


In Haiti stürzt die Regierung nach tagelangen Unruhen, in Bangladesch werden Dutzende bei Straßenschlachten verletzt: Der Hunger hat die Menschen auf die Straßen getrieben. Preise für Nahrungsmittel haben sich binnen Monaten verdoppelt. IWF und Weltbank sind alarmiert und haben ein Kernproblem schon ausgemacht – den Biosprit.


Zuerst war EU-Umweltkommissar Stavros Dimas in Slowenien noch entspannt vor die Presse getreten: Europas Fachminister hatten gerade vereinbart, am Biosprit-Ziel der EU festzuhalten, und das trotz der explodierenden Lebensmittelpreise. „Wenn man für Nachhaltigkeit sorgt, ist das vollkommen in Ordnung“, gab sich der griechische Kommissar in Konferenzzentrum von Brdo gelassen.
Stunden später jedoch gingen erneut Schreckensmeldungen aus der Karibik ein: Nach tagelangen Unruhen wegen teurer Nahrungsmittel war Haitis Regierung gestürzt, in der Hauptstadt Port-au-Prince sogar ein UN-Soldat getötet worden. Auch andernorts hielten die gewalttätigen Ausschreitungen an: Bei Straßenschlachten in Bangladesch etwa wurden mindestens 50 Menschen verletzt.

Anders als Dimas zeigten sich der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank daher höchst alarmiert. „Während sich manche Sorgen machen, wie sie ihren Benzintank füllen, kämpfen viele andere darum, wie sie ihren Magen füllen können. Und das wird von Tag zu Tag schwieriger“, sagte Weltbank-Präsident Robert Zoellick während der Frühjahrstagung der Finanzinstitutionen in Washington.
Weiterführende links


Von Asien über Nordafrika bis in die Karibik rollt eine Protestwelle, weil die Preise für Grundnahrungsmittel sich binnen Monaten teilweise mehr als verdoppelt haben. Bei den Protesten in dem ärmsten Land Lateinamerikas sind bereits fünf Menschen gestorben. Zwar sind an der Preisexplosion auch die steigenden Energie- und Futterkosten, die steigende Nachfrage in Asien oder die Dürre in Australien schuld.

Doch die Kritik, dass auch der subventionierte Biosprit die Versorgungslage der Armen stark belaste, wächst. Auch Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) forderte in Washington, die Biosprit-Strategie zu überdenken. Nach Einschätzung der deutschen Weltbank-Gouverneurin geht der Preisanstieg für Lebensmittel sogar zu 30 bis 70 Prozent auf den Ökosprit zurück. Die Welt brauche „neue Regeln, um die Bewältigung des Klimawandels, eine sichere Versorgung mit Nahrungsmitteln und soziale Entwicklung in Einklang zu bringen“, sagte sie.

IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn warnte ebenfalls vor einem potenziellen Konfliktherd. Die hohen Nahrungsmittelpreise bedrohten die Existenz Tausender Menschen in armen Ländern – und mit ihnen viele der fragilen, jungen Demokratien in Schwellen- und Entwicklungsländern. Der Weltbank zufolge müssen die Ärmsten schon jetzt drei Viertel ihres Einkommens für Essen ausgeben. „Hunderttausende Menschen werden darben, und Kinder werden ihr Leben lang unter Mangelernährung leiden“, warnte der frühere französische Finanzminister und forderte die internationale Gemeinschaft zur Hilfe auf. Mindestens eine halbe Milliarde Dollar seien nötig, um die Versorgungslücke zu schließen.

In Haiti hatte sich die Lage zugespitzt, nachdem es wegen teurer Lebensmittel zu Unruhen, Plünderungen und Gewalt gekommen war. Der Senat, das Oberhaus des Parlaments, entließ die Regierung von Premierminister Jacques Edouard Alexis, obwohl kurz zuvor eine Entspannung der Lage angekündigt worden war. Mit internationaler Hilfe soll der Reispreis um 15 Prozent gesenkt werden. Dennoch hatten 16 der 27 Senatoren für die Absetzung gestimmt, um die aufgebrachte Bevölkerung zu beruhigen. Präsident René Préval will möglichst schnell einen Nachfolger berufen. Eine Sprecherin der UN-Friedensmission in Haiti bezeichnete die Absetzung Alexis' indes als einen „schweren Rückschlag“.

Dennoch will die EU unbeirrt mehr Sprit aus Nutzpflanzen gewinnen. Der von den Regierungschefs beschlossene Zehn-Prozent-Anteil am gesamten Kraftstoffverbrauch könnte bis 2020 realisiert werden, bekräftigte die slowenische Ratspräsidentschaft beim informellen Treffen der Umweltminister. Nahrungsmittelsicherheit und Umweltschutz ließen sich durch geeignete „Nachhaltigkeitskriterien“ vereinbaren, betonte Sloweniens Umweltminister Janez Podobnik. Wie diese Kriterien indes aussehen, sagte er nicht: Die muss eine Arbeitsgruppe der EU-Staaten erst noch entwickeln.
 
http://www.welt.de/wams_print/article1896417/Schatten_ueber_Londons_City.html


13. April 2008, 04:00 Uhr
Schatten über Londons City
Die boomende Finanzindustrie sorgte jahrelang für ein Wirtschaftswunder in Großbritannien. Selbst die Kreditkrise schien wenig Schaden anzurichten. Nun aber kippt die Lage, das gesamte Land könnte damit vor einer Rezession stehen. Frank Stocker hat die wachsende Nervosität in London beobachtet


Bernd Berg begann in schwierigen Zeiten. Im Oktober wechselte der junge deutsche Hedgefonds-Experte zu einem Finanzinstitut in London. Und seither geht es mit der Branche bergab. Banken vermelden immer neue Verluste, Tausende von Angestellten verloren in der Branche schon ihren Job. Berg bewahrt dennoch Optimismus: "Das ist wahrscheinlich die turbulenteste Zeit an den Finanzmärkten seit Anfang der 1930er-Jahre", sagt er. Und er hat immerhin die Chance, vor Ort dabei zu sein.

So abgeklärt schauen jedoch nur die wenigsten Beteiligten in der Londoner Finanzszene auf die Krise, von der ihre Branche erfasst wurde. Viele befinden sich eher in einer Art Angststarre, wie eine Maus, vor der sich eine zähnefletschende Katze aufgebaut hat. Hinzu kommt, dass sich in der vergangenen Woche nun auch die Anzeichen verstärkt haben, dass die Finanzkrise die gesamte britische Wirtschaft in den Abgrund reißen könnte. Der Immobilienmarkt bricht zusammen, das britische Pfund verliert an Wert, Ökonomen sehen erstmals Anzeichen für eine Rezession. Das rund 15 Jahre währende britische Wirtschaftswunder steht vor einem abrupten Ende.

Bernd Bergs Arbeitsplatz liegt mitten im Stadtteil Mayfair, der sich ans östliche Ende des Hydeparks anschließt. Die Postleitzahlen beginnen hier alle mit W1 - W wie Wohlstand. Denn in Mayfair residieren all die Investmentgesellschaften und Hedgefonds, deren unglaubliche Renditen in den vergangenen Jahren ganz erheblich zum Aufschwung Londons beitrugen. Hier kaufte man sich in der Mittagspause schon mal auf die Schnelle ein neues Auto beim Porsche-Händler, der mitten im Stadtviertel seine Karossen präsentiert. Mit seinen mondänen Villen und der ruhigen Atmosphäre wirkt der Stadtteil wie eine abgeschottete Oase im quirligen London.

Doch seit einigen Monaten sind die einst so siegesgewissen Geldvermehrer hier etwas zurückhaltender geworden. "Ungefähr seit Januar kann man das spüren", sagt Berg. Die Leute haben jetzt gemerkt: Die Party der letzten Jahre ist endgültig vorbei. Einige Banken haben seither die ersten Angestellten entlassen, jeder hat zumindest Bekannte, die es getroffen hat. Damit wurde allen klar, dass das, was bisher stets abstrakt als "Finanzkrise" beschrieben wurde, ganz konkrete Auswirkungen auf jeden Einzelnen haben wird.

Die Finanzindustrie hat in Großbritannien eine wesentlich größere Bedeutung als in Deutschland. Rund zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden von dieser Branche beigesteuert. In Deutschland sind es gerade mal fünf Prozent. Und während die britische Wirtschaft in den vergangenen Jahren insgesamt um knapp drei Prozent jährlich wuchs, legte die Finanzindustrie um fünf Prozent pro Jahr zu. Ein Job in der "City", wie die Londoner Bankenwelt genannt wird, galt als sicherer Weg über kurz oder lang Millionär zu werden.

"Jetzt sind die Leute in der City alle sehr nervös", sagt Simon von Oppenheim. Der Spross einer deutschen Bankiersfamilie arbeitet für Integrated Asset Management, ein Haus, das sogenannte Dachhedgefonds auflegt, also Fonds, die in einzelne Hedgefonds investieren. Sein Büro liegt natürlich ebenfalls in Mayfair, nur wenige Straßen von Bernd Berg entfernt. "In den vergangenen Jahren war es sehr leicht, neue Einzel-Hedgefonds aufzumachen", sagt von Oppenheim. Alle hielten diese Anlagevehikel, die ohne große Regulierung und mit riesigen Kreditlinien auf alles spekulieren können, was ertragreich schien, für das Nonplusultra. "Überspitzt gesagt konnte damals ein 24-jähriger Universitätsabsolvent seinen eigenen Fonds aufmachen und in kurzer Zeit ein paar Millionen an Anlegergeld einsammeln."

Doch diese Zeiten sind vorbei. Vor allem viele kleinere Fonds mit einem verwalteten Volumen unter einer Milliarde US-Dollar tun sich schwer. Die Banken haben die Kreditlinien gekürzt, und ängstliche Anleger ziehen ihr Geld ab. Diverse Fonds mussten schon schließen. "Aber das ist kein Drama", sagt von Oppenheim. "Das gehört eben zum Wirtschaftskreislauf."

Das mag sein. Doch ein Drama könnte aus der derzeitigen Krise werden, wenn die Verwerfungen in der Finanzindustrie auf die übrige Wirtschaft übergreifen. In den USA ist dies bereits geschehen. Doch die Briten glaubten lange Zeit, sie seien davor gefeit, da hier die Wirtschaft stabiler sei als jenseits des Atlantiks. Doch spätestens seit der vergangenen Woche sind sie sich darin nicht mehr so sicher.

"Wenn Sie mich vor sechs Wochen gefragt hätten, ob Großbritannien in eine Rezession abgleiten könnte, dann hätte ich gelacht", sagt Tony Dolphin, Chef-Ökonom der Anlagegesellschaft Henderson Global Investors. "Jetzt halte ich das jedoch für eine realistische Möglichkeit." Dolphin sitzt nicht in Mayfair, sondern auf der anderen Seite des Stadtzentrums, am Rande des traditionellen Finanzbezirks und etwas näher am Empfinden des durchschnittlichen Briten.

Und dieser musste in den vergangenen Tagen einige schlechte Nachrichten verdauen. Am Montag gab die Abbey-Bank bekannt, dass sie ab sofort keine 100-Prozent-Finanzierungen für Immobilienkäufe mehr anbietet. Das klingt für deutsche Ohren undramatisch, die volle Kreditfinanzierung einer Wohnung oder eines Hauses ist hierzulande, abgesehen von einigen Angeboten ausländischer Banken, unüblich. In Großbritannien war diese Art der Finanzierung jedoch gang und gäbe. Vor einem Jahr gab es noch 158 entsprechende Kreditangebote von Banken. Mit Abbey wurde nun das letzte vom Markt genommen.

Vor allem junge Menschen, die erstmals eine Wohnung kauften, machten von diesen Kreditangeboten Gebrauch. Sie und die Banken vertrauten darauf, dass der Wert der Immobilien ohnehin stetig steigt. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Preise im Schnitt verdoppelt, in guten Lagen sogar verdrei- oder vervierfacht. Wenn nun die Vollfinanzierung eines Wohnungskaufes nicht mehr möglich ist, so wird der Kreis potenzieller Käufer kleiner. Damit sinkt die Nachfrage am Immobilienmarkt, und das bringt die Preise unter Druck. Und dies ist bereits sichtbar. Am Dienstag verkündeten die Zeitungen in riesigen Lettern: "Hauspreise stürzen ab!" Im März gab der Wert der privaten Immobilien im Durchschnitt um 2,5 Prozent gegenüber dem Vormonat nach. Solch einen Einbruch gab es seit der letzten Immobilienkrise auf der Insel im Jahr 1991 nicht mehr.

"Die Kreditkrise kommt damit bei den normalen Haushalten an", sagt Dolphin. Denn die Briten haben nicht nur ihre Häuser auf Pump gekauft. Sie haben auch eifrig ihre Lebenshaltungskosten auf Kredit finanziert. Die entsprechenden Kreditlinien hingen wiederum vom Wert ihrer Häuser ab. Wenn deren Preis nun sinkt, bleibt den Menschen damit auch weniger Geld für den Konsum. Die Kreditkartenunternehmen haben folglich in den vergangenen sechs Monaten bereits die Kreditlinien von rund zwei Millionen Briten gekürzt.

Und die Immobilienpreise könnten noch weiter fallen. Einige Analysten rechnen schon mit einem Einbruch von 25 Prozent. "Ich halte das auch für möglich", sagt Dolphin. "Wenn das passiert, dann wird Großbritannien allerdings sicher in eine Rezession abgleiten."

Doch selbst wenn es nicht so weit kommt: Das Wirtschaftswunder der vergangenen Jahre, getrieben von einer boomenden Finanzindustrie, dürfte bis auf Weiteres zu Ende sein. "Die Finanzindustrie fragt sich derzeit, wie stark sie ihr Geschäftsmodell verändern muss und wie ein neues Modell aussehen könnte", sagt Dolphin. Denn der exzessive Handel mit Krediten, der so viel Gewinn abwarf, ist zum Erliegen gekommen und dürfte auch nicht wieder belebbar sein, zumindest nicht in der alten Form. "Der Finanzsektor in London könnte in den kommenden Jahren durchaus schrumpfen", glaubt Dolphin.

Bernd Berg bleibt dennoch optimistisch. "Ich glaube, dass 2009 an den Finanzmärkten wieder besser wird und es dann wieder aufwärts geht." Auch das gehört eben zur Londoner City: Jammern ist verpönt.
 
Höhere Energiepreise
Inflation über drei Prozent

Eine erneute Preiswelle bei Benzin, Heizöl und Lebensmitteln hat die Teuerungsrate im März erwartungsgemäß auf den zweithöchsten Wert seit 1994 getrieben. Die Verbraucherpreise kletterten im Schnitt um 3,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Eine höhere Teuerungsrate hatte es zuletzt im November mit 3,2 Prozent gegeben - das war zugleich das höchste Niveau seit Dezember 1993.

Damit bestätigte das Statistische Bundesamt (Destatis) am Mittwoch den vorläufigen Ausweis vom 28. März. Im Januar und Februar hatte die Jahresveränderungsrate jeweils 2,8 Prozent betragen, nach 3,1 Prozent im Dezember 2007. Im Vergleich zum Vormonat stiegen die Verbraucherpreise um 0,5 Prozent nach ebenfalls plus 0,5 Prozent im Februar. Auch hier wurde die erste Schätzung erwartungsgemäß bestätigt.

Die hohe Teuerungsrate im März ist Destatis zufolge weiterhin von deutlich gestiegenen Preisen für Energie (Kraftstoffe und Haushaltsenergie) geprägt. Kraftstoffe verteuerten sich auf Jahressicht um 12,3 Prozent. Leichtes Heizöl war um 40,0 Prozent teurer als im Vorjahr und Strom um 7,2 Prozent. Ohne Einrechnung der Energiepreise hätte die Jahresteuerungsrate im März lediglich 2,3 Prozent betragen.

Die Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke erhöhten sich im März gegenüber dem Vorjahresmonat um durchschnittlich 8,2 Prozent. Besonders deutliche Preiserhöhungen wurden nach Angaben der Statistikbehörde bei Molkereiprodukten und Eiern (plus 23,9 Prozent) sowie Speisefetten und -ölen (plus 15,9 Prozent) ermittelt.

Für das Bildungswesen erhöhten sich die Preise auf Jahressicht um 34,8 Prozent, was zum Teil auf die Einführung der Studiengebühren in einigen Bundesländern im April 2007 zurückgeführt wird. Dieser Sondereffekt wirkt sich in diesem Monat letztmalig auf die jährliche Teuerungsrate aus.

Den monatlichen Anstieg der Verbraucherpreise von 0,5 Prozent führt Destatis vornehmlich auf saisonbedingte Preiserhöhungen im Flugverkehr und bei Beherbergungsdienstleistungen auf den frühen Ostertermin zurück. Die Preise für Bekleidung und Schuhe zogen im Monatsvergleich um 1,5 Prozent an. Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke verteuerten sich um 0,5 Prozent.

Der für europäische Zwecke berechnete harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) für Deutschland erhöhte sich im März gegenüber dem Vorjahresmonat den endgültigen Berechnungen zufolge um 3,3 Prozent. Damit wurde die erste Schätzung von 3,2 Prozent leicht nach oben korrigiert. Im Vergleich zum Vormonat stieg der HVPI um 0,5 Prozent.
http://www.n-tv.de/Hoehere_Energiepreise_Inflation_ueber_drei_Prozent/160420082208/949460.html
 
Nahrungsmittelkrise:
Äcker sind die Schlachtfelder von morgen

Um die weltweite Ernährungskrise wirksam zu bekämpfen, reichen Finanzspritzen nicht aus. Die Agrarindustrie muss einen radikalen Wandel vollziehen und neue Handelsregeln aufstellen - andernfalls drohen weltweite Konflikte.

Die industrielle Landwirtschaft mit ihren gigantischen Feldern, Agrarchemie und künstlicher Bewässerung hat ihre Grenzen erreicht. Weltweit ist die Agrarproduktion durch Monokulturen, Wasserknappheit, Erosion, Dürre, schwindende Artenvielfalt und chemische Rückstände bedroht. Mehr als eine Milliarde Menschen hungern; Nahrungsmittel werden immer teurer und knapper. Saatgutpatente und Gentechnik gefährden die Arbeit der Bauern in armen Ländern, die sich teure Produkte aus den entwickelten Wirtschaftsräumen nicht leisten können.

Die gegenwärtige Lebensmittelknappheit ist aus Sicht des Agrarökonomen Joachim von Braun keine vorübergehende Krise, sondern die langfristige Folge verschiedener Entwicklungen, die nach internationalem Eingreifen verlangen. «Insgesamt müssen jetzt schnell Milliardenbeträge mobilisiert werden, um den Hunger wirksam zu bekämpfen», sagte der Leiter des Internationalen Forschungsinstituts für Ernährungspolitik in Washington der Wochenzeitung «Die Zeit». Jacques Diouf, der Chef der Welternährungsorganisation FAO, warnte vor Sicherheitsrisiken: «Das wird einen Einfluss auf die Stabilität in der ganzen Welt haben.»

Vor allem die Vertreter umweltverträglichen Landbaus sehen sich durch die bedrohliche Entwicklung bestätigt. Der Weltlandwirtschaftsrat IAASTD setzt in seinem jüngsten Bericht klare Priorität auf den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und eine Ressourcen schonende Ökologisierung der Landwirtschaft. Das steht gegen die von der Agrarindustrie vorangetriebene chemische und gentechnische Intensivierung.

Noch ist nicht sicher, was den jüngsten Preisanstieg tatsächlich verursacht hat. Sichtbar ist: Der Reispreis verdreifachte sich seit 2006. Auch die Nachfrage nach Energiepflanzen hat laut Weltbank deren Preis um 30 Prozent ansteigen lassen. Die Nachfrage in Schwellenländern, wo der Bedarf an Milch und Fleisch steigt, treibt die Weltmarktpreise. Die Chinesen essen besser und mehr. Die Produktion eines Kilogramms Fleisch erfordert sieben Kilogramm Getreide - und ein Vielfaches an Wasser. Zudem entdecken Spekulanten den Lebensmittelmarkt und investieren in riskante Fonds mit Nahrungsmitteln.

Nun, da die Lebensmittelpreise in den vergangenen drei Jahren durchschnittlich um mehr als 80 Prozent gestiegen sind, werden die Subventionen in den USA und Europa verringert. Die USA können bei der kommenden Welthandelsrunde im Mai in Doha, der Hauptstadt des Scheichtums Katar, niedrigeren Subventionen zustimmen, da die mächtige US-Farmer-Lobby davon ausgehen kann, dass die Lebensmittelpreise hoch bleiben werden. Auch EU-Agrarsubventionen werden für die Bauern unattraktiv, weil die Erlöse so hoch sind. Doch mit den Subventionen sind die Bauern auch nicht mehr an Auflagen und Schranken gebunden, was sich nachteilig auf die Äcker auswirkt und den klimaschädlichen Kohlendioxid-Ausstoß der Landwirtschaft erhöht.

Der deutsche Bauernverband sieht jedoch auch Chancen und glaubt, dass der Preisanstieg nicht einseitig als Bedrohung für Entwicklungsländer gesehen werden kann. Konkret: Bei höheren Agrarpreisen konzentrieren sich die Bauern auf die Nahrungsmittelproduktion, während Bioenergie an Wettbewerbsfähigkeit verliert.

Global sieht es derzeit danach aus, dass Nahrungsmittelknappheit ein ähnlich gravierendes Problem werden könnte wie der Klimawandel. Die Welthandelsorganisation will in Doha die seit Jahren dümpelnden Welthandelsgespräche wieder intensivieren. Das Treffen, hofft die Genfer Direktorin des Instituts für Landwirtschafts- und Handelspolitik (IATP), Carin Smaller, soll das Ernährungsproblem durch radikale Schnitte lösen helfen. «Es wird Zeit, dass wir ein neues Gebilde an Handelsregeln aufstellen, damit Regierungen ein starkes und beständiges Lebensmittel- und Landwirtschaftssystem aufbauen können.» Durch eine Vielzahl von Export- und Importzöllen haben die Staaten den Handel erschwert und die Balance von Angebot, Preisen und Nachfrage destabilisiert – entgegen der WTO-Politik.

Weltbank-Präsident Robert Zoellick, einst US-Handelsbeauftragter, formulierte es so: «Wenn es jemals einen Zeitpunkt gegeben hat, die verfälschenden Agrarsubventionen zu beschneiden und die Märkte für Lebensmitteleinfuhren zu öffnen, ist er jetzt gekommen.»

Doch bis die Verwerfungen beseitigt sind, ist weltweit noch viel Not zu lindern. Die 500 Millionen Dollar, die das Welternährungsprogramm (WFP) dieses Jahr an Zusatzkosten für Nothilfe angegeben hat, reichen dem Washingtoner Agrarökonomen von Braun nicht aus. Vielmehr bedürfe es jährlich 20 Milliarden bis 30 Milliarden Dollar für Ernährungshilfen und Investitionen in die Landwirtschaft der Entwicklungsländer, konstatiert der Experte.
von Tilman Steffen
http://www.netzeitung.de/wirtschaft/wirtschaftspolitik/978657.html
 
Konjunkturmotor:
Boombranche Logistik wächst weiter kräftig

Ohne Logistik wären die Supermärkte leer und Autohersteller hätten keine Bauteile: Sie ist eine Schlüsselbranche par excellence - und bietet gute Jobchancen. Darüber informiert der erste «Tag der Logistik».

Die Logistik bleibt in Deutschland ein wichtiger Konjunkturmotor – die Branche ist im vergangenen Jahr stärker gewachsen als das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Mehr als 204 Milliarden Euro wendete die deutsche Wirtschaft 2007 für Logistik auf, zitierte das «Handelsblatt» aus einer Studie des Branchenexperten Peter Klaus vom Fraunhofer-Institut. Das waren 15 Milliarden Euro oder acht Prozent mehr als im Vorjahr. Zum Vergleich: Das BIP legte im gleichen Zeitraum um 2,6 Prozent zu.

Damit ist Deutschland weltweit der größte Logistikmarkt. Allerdings beruht die Hälfte des Wachstums 2007 auf Kostensteigerungen: Mehr als drei Milliarden Euro entfallen auf die neuen Kosten für die Lkw-Maut. Der Anstieg der Dieselpreise steuert weitere fünf Milliarden Euro bei. Die verschärften Vorschriften des europäischen Fahrpersonalrechts, verbunden mit einer seit 2006 drastischen Verknappung des Fahrpersonals, hätten noch einmal so viel zu den Kostensteigerungen beigetragen.

Die Logistik zählt neben Automobilindustrie, Handel und Gesundheitswesen zu den größten Wirtschaftsbereichen in Deutschland. Rund 2,6 Millionen Menschen sind hierzulande in der Logistikwirtschaft beschäftigt. Fachmann Klaus weist laut «Handelsblatt» in seiner Studie aber darauf hin, dass der Zuwachs an Vollzeit-Arbeitsplätzen in der Branche «verhalten» sei. Als Gründe nennt er die höhere Produktivität sowie vermehrte Teilzeitbeschäftigung.

In den kommenden Jahren sollen nach Angaben der Bundesvereinigung Logistik (BVL) tausende neue Stellen entstehen, unter anderem 3500 neue Arbeitsplätze bis 2012 am Flughafen Leipzig/Halle, wo die Deutsche Post den europäischen Hauptumschlagplatz für ihre Express- und Logistiktochter DHL errichtet. Im Tiefseehafen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven, der bis 2010 fertig gestellt werden soll, entstehen demnach bis zu 2000 Arbeitsplätze.

Für 2008 wird mit einem Wachstum des Logistik-Umsatzes in Deutschland in Höhe von rund sieben Prozent gerechnet. Als Treiber des Wachstums nennen Fachleute die Globalisierung: Mit ihr gehen eine vermehrte Arbeitsteilung und Produktionsverlagerungen einher.

Über die Spannbreite der Schnittstellenbranche Logistik informiert die BVL am Donnerstag: Beim ersten «Tag der Logistik» öffnen rund 150 Unternehmen und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland ihre Türen. So erlaubt der Flughafen Hamburg einen Blick hinter die Gepäckabfertigung, Hochschulen berichten über Karrieremöglichkeiten im Bereich Logistik und Unternehmen wie BASF, Audi oder die Bahntochter Railion belegen, dass Logistik mehr ist als Transport. (nz)
http://www.netzeitung.de/wirtschaft/unternehmen/977818.html
 
Klare Fronten bei der EZB
Keine Zinssenkung in Sicht

Die einflussreichen EZB-Ratsmitglieder Axel Weber und Athanasios Orphanides sowie führende Wirtschaftsinstitute lehnen eine Zinssenkung entschieden ab. Bundesbankchef Weber schließt angesichts der starken Teuerung sogar Zinserhöhungen nicht aus. Die Europäische Zentralbank (EZB) werde die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale "entschieden und vorbeugend" bekämpfen, sagte er in Frankfurt: "Wir werden alle Entwicklungen genau verfolgen und prüfen, ob das aktuelle Zinsniveau beim Erreichen unserer Ziele hilft". Die Inflationsrate im Euro-Raum hatte im März mit 3,6 Prozent einen Rekordwert erreicht. Die Währungshüter halten mittelfristig nur einen Preisanstieg von knapp unter zwei Prozent für akzeptabel.

Deshalb sprach sich auch Orphanides gegen Zinssenkungen aus. "Die Daten der vergangenen Tage geben keinen Anlass, die Politik zu ändern", sagte der frühere Redenschreiber von US-Notenbankchef Ben Bernanke und heutige Notenbankchef Zyperns. Auch die acht führenden Wirtschaftsinstitute raten in ihrem Frühjahrsgutachten für die Bundesregierung von Zinssenkungen ab. Die EZB sollte angesichts des enormen Preisdrucks ihren Leitzins bis 2009 bei vier Prozent belassen. Billigeres Geld könnte Konsum und Investitionen ankurbeln und die Preise noch mehr nach oben treiben, fürchten sie.

Bundesbank-Chef Weber: "Konjunktur ist robust"

Gewerkschaften fordern dagegen, die Konjunktur mit niedrigeren Zinsen anzukurbeln. Sie verweisen auf die US-Notenbank, die wegen der Rezessionsgefahr ihre Geldpolitik massiv gelockert hat.


Weber begründete seine harte Haltung gegen Zinssenkungen vor allem mit der Sorge vor einer Lohn-Preis-Spirale. Er fürchtet, dass die Gewerkschaften wegen der stark steigenden Lebenshaltungskosten überzogene Lohnabschlüsse durchsetzen und die Inflation damit zusätzlich anheizen - weil Unternehmen dann versuchen könnten, die höheren Personalkosten auf die Verbraucher abzuwälzen. "Die jüngsten Lohnrunden im Euro-Raum haben nicht dazu beigetragen, den Preisdruck zu begrenzen", sagte der Bundesbankchef. In Deutschland erhalten die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sowie der Stahl- und Chemieindustrie jeweils rund fünf Prozent mehr.

Weber hält Zinssenkungen auch wegen der robusten Konjunktur in Deutschland und im Euro-Raum für unangemessen. "Übertriebener Konjunkturpessimismus ist derzeit fehl am Platze", sagte er. So werde die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal voraussichtlich um etwa 0,75 Prozent zulegen. Damit würde sie mehr als doppelt so schnell wachsen wie Ende 2007 mit 0,3 Prozent. Für das gesamte Jahr rechnet die Bundesbank bislang mit einem Plus von 1,9 Prozent nach 2,5 Prozent 2007. Eine deutliche Korrektur dieser Prognose sei trotz Finanzkrise und hoher Ölpreise nicht notwendig, sagt Weber. Ungeachtet der Kaufkrafteinbußen durch die starke Teuerung werde der private Konsum zulegen. Grund sei der anhaltende Rückgang der Arbeitslosigkeit, sagte Weber.

Teuerung hält auch 2009 an

Bis ins nächste Jahr hinein werden rasante Preissteigerungen durch die massive Verteuerung von Lebensmitteln und Energie anhalten. Die Teuerungsrate werde auch 2009 "sehr wahrscheinlich" über der kritischen Marke von 2,0 Prozent liegen, sagte Bundesbank-Präsident und EZB-Ratsmitglied Axel Weber vor der britischen Handelskammer in Frankfurt. Der Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise sei hartnäckiger als erwartet. Die EZB werde daher ihre Inflationsprognose anheben. Bislang geht die Notenbank davon aus, dass die Teuerung im nächsten Jahr mit 2,1 knapp über der entscheidenden Zwei-Prozent-Marke liegt, bei der die EZB Preisstabilität definiert.

Die Inflation in den 15 Ländern des Euro-Währungsgebietes war im März mit 3,6 Prozent auf einen Rekordwert seit der Euro-Einführung. Nach Einschätzung der EZB besteht die Gefahr, dass die historisch hohe Inflation im Euro-Raum auch durch steigende Preise für Dienstleistungen beschleunigt wird. Für die Teuerung gebe es "eine Reihe an Aufwärtsrisiken", schreibt die Notenbank in ihrem Monatsbericht. Die Währungshüter warnen vor überhöhten Lohnabschlüssen in den laufenden Tarifverhandlungen und fürchten, dass Unternehmen die gestiegenen Rohstoffkosten an die Verbraucher weitergeben.

Die Zentralbank ist für die wirtschaftliche Entwicklung weiter optimistisch. Trotz der Finanzmarktkrise gebe es ein "gemäßigtes, aber fortgesetztes Wachstum" im Euro-Raum, heißt es im Monatsbericht. In Deutschland wird der Aufschwung nach Einschätzung des Bundesbank- Präsidenten auch in den kommenden Monaten weitergehen. "Die treibenden Kräfte für den Aufschwung bleiben weiterhin intakt", sagte Weber. Im laufenden Jahr gebe es keinen Grund für "Schwarzmalerei". Weber rechnet im laufenden Jahr mit rund 1,5 Prozent Wachstum für Deutschland.
http://www.n-tv.de/Klare_Fronten_bei_der_EZB_Keine_Zinssenkung_in_Sicht/170420084417/950577.html
 
McKinsey: Mittelschicht durch fehlendes Wirtschaftswachstum bedroht

Berlin (dpa) - Millionen Menschen steigen nach einer neuen Studie
bis zum Jahr 2020 aus der Mittelschicht ab, wenn die Wirtschaft nicht
stärker wächst. Weniger als die Hälfte der Deutschen bezögen dann ein
Einkommen im mittleren Bereich, meldete die «Welt am Sonntag» unter
Berufung auf die Studie «Deutschland 2020» der Unternehmensberatung
McKinsey. Zur Einkommensmittelschicht gehören nach dieser Definition
alle, die 70 bis 150 Prozent des Durchschnittseinkommens verdienen.
2006 entsprach dies einem Jahreseinkommen von 25 000 Euro.
Sollte das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren nicht über
die bislang prognostizierten 1,7 Prozent hinausreichen, würden bis
2020 zehn Millionen Menschen weniger zur Mitte zählen als noch Anfang
der 90er Jahre, hieß es. Ähnliche Zahlen hatte das Deutsche Institut
für Wirtschaftsforschung (DIW) Anfang März vorgelegt. Die Mitte
verliere und die Extreme beim Einkommen strebten immer weiter
auseinander, hieß es in der DIW-Studie. Während der Anteil der
Bezieher mittlerer Einkommen bis 2000 acht Jahre lang stabil bei 62
Prozent der Bevölkerung lag, sackte er bis 2006 auf 54 Prozent ab,
errechneten die Forscher. Das entspreche einem Rückgang von 49
Millionen auf 44 Millionen Personen.
Um wieder in die Riege der erfolgreichsten Länder aufzusteigen,
müsste Deutschland nach Einschätzung der McKinsey-Berater ein
Wachstum von jährlich drei Prozent erreichen. In einem solchen
Szenario könnte sich den Berechnungen zufolge das mittlere Einkommen
in Deutschland gegenüber dem Jahr 2006 um über 40 Prozent auf rund
36 000 Euro erhöhen.
Die Unternehmensberater fordern einen «Paradigmenwechsel» - «weg
von Investitionen in bestehende Strukturen hin zu Wachstum durch
Innovation», wie es in der Studie heißt. Unternehmen müssten die
Chancen aus weltwirtschaftlichen Trends nutzen. Gleichzeitig seien
bessere Rahmenbedingungen notwendig: etwa eine Stärkung des
Unternehmertums, ein verbesserter Zugang zum Kapitalmarkt,
Strukturreformen an den Universitäten, ein Schließen von
Qualifikationslücken am Arbeitsmarkt und die Sicherung von
Chancengleichheit in der Bildung sowie gezielte Investitionen in die
Infrastruktur.
(Internet: www.mckinsey.de/html/profil/initiativen/d2020.asp)
dpa rh yyzz z2 bk
http://www.capital.de/unternehmen/meldungen/847117.html
 
Finanzkrise belastet exportorientierte Branchen
von Friederike Krieger

Das Baugewerbe gilt als die insolvenzgefährdete Branche schlechthin. Jetzt geraten auch Exportstars wie die Automobilindustrie und der Maschinenbau in die Bredouille. Ihnen machen steigende Rohstoffpreise, Finanzkrise und starker Euro zu schaffen

Ende April schlug der Kreditversicherer Atradius Alarm. Der Grund: Die wirtschaftliche Situation der deutschen Biodieselhersteller hat sich dramatisch verschlechtert. Aufgrund der stark gestiegenen Preise für Rohstoffe wie Raps oder Soja können die Firmen den Ökokraftstoff nicht mehr kostendeckend herstellen.

Anfang 2008 mussten die Produzenten zudem eine Steuererhöhung auf 15 Cent pro Liter reinen Biodiesel verkraften. "Sollte die Verteuerung der Agrar-Rohstoffe anhalten, rechnen wir mit zunehmenden Zahlungsausfällen bei kleinen und mittelständischen Unternehmen der Biodieselbranche", warnt Michael Karrenberg, Director Risk Services bei Atradius.

Bei dem Kreditversicherer steht die Biodieselindustrie deshalb auf der Watch List für besonders risikobehaftete Branchen. Wirtschaftszweige, die dort vermerkt sind, behält das Unternehmen genau im Auge. Kreditversicherer wie Atradius schützen Firmen davor, dass ein Geschäftspartner seine Rechnungen nicht mehr zahlen kann, weil er Pleite gegangen ist. Die Watch List hilft Atradius, die Risiken abzuschätzen.
Ausfälle bedrohen Existenzen

Den größten Teil der Schäden bei den Kreditversicherern verursacht traditionell das Baugewerbe. Laut einer aktuellen Studie des Inkasso-Dienstleisters Creditreform bringt es die Branche auf die höchste Insolvenzquote Deutschlands. 2007 gingen von 10.000 Baufirmen 154 Pleite.

Der Durchschnitt aller Branchen liegt dagegen nur bei 90 Insolvenzen pro 10.000 Betriebe. "Die Finanzierungsstrukturen im Baugewerbe sind oft sehr schlecht", sagt Creditreform-Sprecher Michael Bretz. Viele Betriebe

Zahlungsausfälle und -verzögerungen, die in dem Metier häufig vorkommen, können Baufirmen schnell die Existenz kosten. Laut einer aktuellen Studie des Inkasso-Dienstleisters Creditreform bringt es die Branche auf die höchste Insolvenzquote Deutschlands. 2007 gingen von 10.000 Baufirmen 154 Pleite. Der Durchschnitt aller Wirtschaftsbereiche liegt dagegen nur bei 90 Insolvenzen pro 10.000 Betriebe.
Wiederholung des Szenarios

"Die Finanzierungsstrukturen im Baugewerbe sind oft sehr schlecht", erklärt Creditreform-Sprecher Michael Bretz. Viele Betriebe verfügen nur über eine dünne Eigenkapitaldecke. Zahlungsausfälle und -verzögerungen, die in dem Metier häufig vorkommen, können Baufirmen schnell die Existenz kosten.

Momentan ist es aber weniger das heimische Baugewerbe, das die Kreditversicherer beunruhigt. "Die Baubranchen in England, Spanien und Irland stellen große Risikofaktoren dar", sagt Karrenberg von Atradius. Diese EU-Länder hätten die Auswirkungen der Finanzkrise am stärksten zu spüren bekommen.

Was sich in den USA in den vergangenen Monaten abgespielt habe - der Zusammenbruch des Marktes für zweitklassige Hypothekenkredite und Preisverfall bei Privathäusern - wiederhole sich dort.

Doch nicht nur Lieferanten englischer Baufirmen müssen gewarnt sein. Auch deutsche Firmen, die mit dem angelsächsischen Einzelhandel Geschäfte treiben, müssen sich laut Karrenberg auf Zahlungsausfälle vorbereiten. Denn die Auswirkungen der Finanzkrise drücken dort bereits auf den Konsum.

In Deutschland könnte es bald einem ganz anderen Branchen an den Kragen gehen: dem verarbeitenden Gewerbe. Bisher galt es dank seiner starken Exportorientierung als Primus unter den Hauptwirtschaftsbereichen. Auf 10.000 Unternehmen kamen laut Creditreform nur 77 Pleiten.

Der starke Fokus auf Ausfuhren beginnt sich nun zu rächen. Der wirtschaftliche Abschwung in den USA und einigen europäischen Ländern bremst die dortige Kauflust. Hinzu kommt der starke Euro, der den Export für deutsche Unternehmen in Nicht-EU-Länder weniger lukrativ werden lässt.

"Das betrifft hauptsächlich Branchen wie die Automobilindustrie oder den Maschinenbau", sagt Marita Kraemer, Vorstandsmitglied der Zurich Gruppe Deutschland, die ebenfalls Kreditversicherungen anbietet.
http://www.ftd.de/boersen_maerkte/aktien/marktberichte/353378.html?p=1
 
Der US-Datenglaube wird teuer
In den USA wächst die Arbeitsproduktivität angeblich selbst im Abschwung noch um 3,2 Prozent zum Vorjahr. Der Konsumdeflator steigt seit Jahren kaum schneller als im Euroraum, obwohl der Dollar kollabiert ist. Derweil sind Autoabsatz und Baubeginne niedriger als vor 30 Jahren. Niemand hakt nach. Ein Fehler.

Erstaunlicher als die US-Wirtschaftsstatistiken ist nur noch die Gutgläubigkeit, mit der sie aufgenommen werden. Sicher, es hat keiner ein rechtes Interesse nachzuhaken, am wenigsten die Banken und ihre Volkswirte. Aber es wird langsam peinlich, und geholfen ist damit letztlich niemandem. Nehmen wir die jüngsten US-BIP-Zahlen, die durch die Bank so kommentiert worden sind, dass die Vorratsveränderungskomponente sowie die Nettoexporte das kleine annualisierte Wachstum von 0,6 Prozent ermöglicht hätten. Humbug. Das Wachstum kam daher, dass die realen Konsumausgaben für Dienste aus unerfindlichen Gründen um 3,4 Prozent zugenommen haben sollen, was 1,43 Prozentpunkte zum BIP-Anstieg beigetragen hat (die Lagerkomponente 0,81 Prozentpunkte). Zudem haben allein die staatlichen Verteidigungsausgaben mit 0,28 Prozentpunkten mehr zum Wachstum beigesteuert als die Nettoexporte (0,22).

Vergangene Woche haben sich dann alle erfreut darüber gezeigt, dass die Arbeitsproduktivität in der US-Privatwirtschaft exklusive Landwirtschaft im ersten Quartal um 3,2 Prozent höher war als im Vorjahr. Mitten im Abschwung wäre das in der Tat eine ganz vorzügliche Leistung. Nur wieso unterstellt das Arbeitsministerium dabei einen Rückgang der geleisteten Arbeitsstunden um 0,6 Prozent zum Vorjahr, während laut Arbeitsmarktbericht die Gesamtzahl der geleisteten Wochenstunden der einfachen Arbeiter und Angestellten im ersten Quartal um 0,8 Prozent über dem Vorjahr gelegen haben soll? Hat man in den Führungsetagen dieser Tage nichts zu tun?

Kreative Buchführung

Kommen wir zu der anderen Seite der Produktivitätsmedaille, der Produktion, die angeblich um 2,6 Prozent über dem Vorjahr lag. Dabei ist beispielsweise unterstellt, dass die Verbraucher in dieser Zeit real 0,5 Prozent mehr Gebrauchsgüter einkaufen konnten, obwohl sie 0,8 Prozent weniger dafür ausgegeben haben - und das bei einer Dollar-Abwertung von gut neun Prozent. Kumuliert ist der US-Konsumdeflator für Gebrauchsgüter seit Anfang 1995 inzwischen um 22 Prozent gefallen - und ist damit gerade noch rund doppelt so hoch wie in den 50ern. Wer glaubt, dass all den unterstellten Qualitätsverbesserungen ein entsprechender Nutzengewinn gegenübersteht, sollte vielleicht mal mit einem 75-Jährigen über die guten alten Zeiten sprechen.

Ganz abgesehen von ähnlichen Fragezeichen beim Investitionsdeflator oder bei der Bemessung von Mieten, könnte das vielleicht auch erklären, warum in den USA zurzeit weniger Autos abgesetzt werden als vor 30 Jahren - wobei die Bevölkerung von 222 auf 304 Millionen gestiegen und die private Sparquote von 9,4 auf null Prozent gesunken ist. Denn wenn den ganzen hedonischen Kunstgriffen, mit denen Verkaufspreiserhöhungen aufgefangen werden, keine entsprechenden Nominallohnerhöhungen entgegenstehen, wird es irgendwann eben eng. Bezeichnend auch, dass die Baubeginne zurzeit nicht halb so hoch sind wie vor 30 Jahren. Denn bei aller Jammerei über fallende Häuserpreise ist auch zu bedenken, dass man heute mehr als 100 Wochenbruttolöhne mehr als vor 30 Jahren braucht, um damit ein Häuschen bezahlen zu können.

Nun könnte man noch so einige andere Fragen aufwerfen, etwa, ob der Zusammenbruch des Zusammenhangs zwischen Geldmenge und US-Inflation auch andere Gründe haben könnte als Geldmengendefinitionsschwierigkeiten oder Geldnachfrageinstabilitäten. Komisch auch die US-Lesart in Sachen Fiskaldefizite. Aber eine - zugegeben - verquere Statistik muss noch sein. Rechnet man das nominale US-BIP in DM/Euro um und berücksichtigt man zudem die deutschen Verbraucherpreise, sind die USA seit 1970 im Mittel real bloß um 1,5 Prozent gewachsen. Das grottenschlechte Abschneiden des US-Aktienmarkts im Vergleich zu Europa braucht da niemanden mehr zu wundern. Und wer denkt, dass der US-Markt nun attraktiv ist, sollte mal einen Blick auf die Seite von S&P werfen. Dort ist neben dem "operativen" auch der GAAP-Gewinn des S&P 500 zu finden. Und danach kostet der US-Aktienmarkt das 21-fache des Gewinns von 2007 - und das 22-fache der Schätzung für 2008.

Auch die Banken bleiben kreativ

Ein versöhnlicher Ausklang jener Woche, in der für Josef Ackermann wieder einmal ein Ende der Kreditkrise zum Greifen nah war.

Sein eigenes Institut, ebenso wie die Commerzbank und Dresdner Bank, verweigern eine Gewinnprognose für 2008, während die Postbank kein Ende der Krise sieht. Derweil verdoppelt der weltgrößte Versicherer AIG seine Verluste auf 30 Mrd. $ und weist auf das bärenstarke operative Kerngeschäft hin. Den Vogel schießt die Citigroup ab, die sich eines Fünftels ihrer Bilanzsumme entledigen will. Diese Problemsparten gehörten nicht zum Kerngeschäft. Klar, zu dem gehören wie bei AIG Geschäfte nur, solang sie profitabel sind.
http://www.ftd.de/boersen_maerkte/aktien/:Das%20Kapital%20Der%20US%20Datenglaube/354658.html
 
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