Börsensteuer kommt wohl nur in Schmalspurversion
Donnerstag, 30. Mai 2013, 17:22 Uhr
Brüssel/Berlin (Reuters) -
Die geplante Finanzmarktsteuer wird angesichts massiver Kritik von Banken und wachsender Bedenken in den beteiligten Euro-Staaten voraussichtlich stark eingedampft.
Bei den Verhandlungen in Brüssel werden derzeit Änderungen am Gesetzentwurf der EU-Kommission diskutiert, die den Finanzinstituten entgegenkämen, wie mehrere mit den Beratungen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag sagten. Eine Folge wären weitaus geringere Steuereinnahmen als ursprünglich angenommen für Deutschland und die zehn anderen Staaten.
Der deutsche Fiskus könnte demnach vielleicht nur eine statt zehn Milliarden Euro kassieren. Die Grünen reagierten empört auf die sich abzeichnende Verwässerung und erinnerten die Bundesregierung an ihre Zusage, für eine umfassende Steuer einzutreten.
Ziel der Steuer ist es, die Banken an den massiven Kosten der Finanzkrise zu beteiligen, die sie mit verursacht haben.
Doch die Geldhäuser machen Front gegen die Steuer, weil sie Milliardenlasten befürchten. Ihre Lobby-Arbeit zeigt Wirkung: In der zurzeit nur auf Experten-Ebene laufenden Beratung der EU-Staaten wird den Kreisen zufolge überlegt, bestimmte Produkte ganz auszunehmen oder die Steuer mit Übergangsfristen einzuführen. Entschieden sei aber noch nichts.
STUFENPLÄNE
"Die ganze Sache wird sich ziemlich ändern müssen, die Steuer wird in der jetzigen Form nicht überleben", sagte ein anderer Insider voraus.
Die von Deutschland, Frankreich und Österreich vorangetriebene Steuer sollte Anfang 2014 eingeführt werden. Im besten Fall sei dies nun Mitte 2014 zu erreichen, hieß es.
Bei Aktien, Anleihen, Fondsanteilen oder Geldmarktgeschäften unter den Banken sollen nach dem Entwurf 0,1 Prozent des Handelsvolumens eingezogen werden, für Derivate würde der Steuersatz 0,01 Prozent betragen.
Die zwischen Banken gehandelten Wertpapierpensionsgeschäfte (Repos) könnten ganz ausgenommen werden, war in EU-Kreisen zu erfahren. Vor allem die Landesbanken und Sparkassen hatten Alarm geschlagen wegen der Besteuerung von Repo-Geschäften, mit denen sich Banken untereinander kurzfristig finanzieren. Nach Berechnungen der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) könnten allein für das Repo-Geschäft ihres Hauses bis zu drei Milliarden Euro Steuern pro Jahr fällig werden. Im Kontrast dazu steht die Kalkulation der EU-Kommission, die für alle elf Staaten mit 30 bis 35 Milliarden Steuereinnahmen insgesamt rechnet, wobei auf Deutschland mit zehn Milliarden Euro der größte Batzen entfiele.
Eine Freistellung diskutieren die Staaten auch für Altersvorsorge-Produkte.
Die Steuer könnte demzufolge in ihrer ersten Stufe auf eine Börsensteuer auf Aktien reduziert werden. In Stufe zwei kämen Anleihen hinzu und dann erst Derivate, erläuterte ein Insider. Wird die Steuer zu sehr eingedampft, hätte sie aber nur noch symbolische Bedeutung. Denn bei einem Einstieg mit dem niedrigen Steuersatz von 0,01 Prozent wäre nur noch mit drei bis vier Milliarden Euro Einnahmen zu rechnen - für alle elf Länder zusammen.
AUF DIE LANGE BANK
Die Bundesregierung hatte das Projekt vor allem verfolgt, weil die SPD das im Gegenzug für ihre Zustimmung zum Fiskalpakt gefordert hatte. Der Brandbrief des baden-württembergischen Finanzministers Nils Schmid (SPD), der nach den Klagen der LBBW Schäuble bat, sich in Brüssel für Änderungen einzusetzen, kam der schwarz-gelben Koalition gelegen. Offenbar kehre bei der SPD Realismus ein, sagte ein führender Regierungsvertreter.
Die Grünen und die SPD erinnerten die Bundesregierung daran, dass sie sich zur Einführung einer Steuer mit einer breiten Bemessungsgrundlage verpflichtet habe. Regierung und Opposition hatten vereinbart, dass eine Steuer auf "möglichst alle Finanzinstrumente" eingeführt werden soll, die zugleich negative Folgen für Kleinanleger und Realwirtschaft vermeiden soll. Der Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin drohte nun, die Bundesregierung nicht länger bei Beschlüssen zur Euro-Rettung zu unterstützen, wenn die Steuer zahnlos werde. Auch der SPD-Finanzexperte Carsten Siebling betonte: "Die Bundesregierung steht hier gegenüber dem Deutschen Bundestag im Wort."
Reuters 2013.