Droht Solar-Armageddon für Conergy, Trina, Q-Cells und Co? Solar-Bär Johnson im großen Interview.
Folgt dem Boom der große Kater. US-Solarexperte Gordon Johnson glaubt an das Worst-Case-Szenario für die Solarbranche.
"Weltuntergangsszenario" und "Katastrophe" - mit diesen Begriffen hat der US-Analyst Gordon Johnson selbst in Europa für Aufsehen gesorgt. Schließlich ist das Gros der Solarexperten deutlich optimistischer. Während etwa iSuppli 2011 ein Wachstum der Neuinstallationen von 16 auf 19 Gigawatt erwartet, glaubt der US-Solarexperte an einen Rückgang. Zumindest in den letzten Wochen lag der "Solar-Bär" mit seiner Verkaufsempfehlung für Solaraktien richtig: Solar-Aktien haben deutlich underperformt. Grund genug, seine Sicht der Dinge zu beleuchten.
DER AKTIONÄR: Herr Johnson, nie wurden so viele Solarmodule verkauft wie 2010. Was macht Sie dennoch so skeptisch?
Gordon Johnson: Tatsächlich haben wir einen Boom - ich nenne es eine Blase - gesehen. Anfänglich wurden weltweit für 2010 nur acht GW Neuins-
tallationen prognostiziert. Jetzt scheint es, dass dieses Jahr bedeutend mehr installiert werden.
Auch weil in den Vorjahren aufgrund der Förder-Unsicherheit und des Wegbrechens des spanischen Absatzmarktes nur vorsichtig investiert wurde, kam es vorübergehend zu einem großen Modul-Engpass. Die Angst vor einer weiteren Knappheit hat Projektierer dann dazu veranlasst, die Bestellungen zu erhöhen und einen Puffer aufzubauen. Dabei entstand sogar ein lukrativer Zweitmarkt für Module mit Höchstpreisen von 2,20 bis 2,40 Dollar je Watt - während die Listenpreise bei 1,70 bis 1,80 Dollar lagen. Diese Gewinnmöglichkeit hat zusätzlich zu spekulativen Bestellungen geführt. Viele Modulhersteller sprechen daher derzeit davon, für 2011 „ausverkauft" zu sein. Doch man sollte vorsichtig sein und nicht vergessen, dass die meisten Abnehmer selbst auf Sicht von ein oder zwei Monaten in Wirklichkeit wenig oder keine Transparenz über die Endkundennachfrage haben.
2010 haben die Hersteller von Solarmodulen munter weiterinvestiert ...
Und genau das dürfte zum Problem werden. Die Aufträge für neues Wafer-, Zell-, Modul- und Polysilizium-Equipment sind regelrecht explodiert. Ich schätze, dass zwischen Mitte 2010 und Ende 2011 25 GW neue Zellkapazitäten installiert werden. Meine Schätzung für die vorhandenen Kapazitäten ist konservativ und liegt bei über 11 GW im ersten Halbjahr 2011 gegenüber 5,8 GW im ersten Halbjahr 2010.
Wie entwickelt sich demgegenüber die Nachfrage?
Ich gehe im zweiten Halbjahr 2010 von einer weltweiten Nachfrage von 6,5 GW und mit Sicherheit eine demgegenüber noch einmal schwächeren im ers-
ten Halbjahr 2011 aus. Die Nachfrage hat bereits seit Mitte 2010 nachgegeben. Viele Analysten behaupten, dass 2011 andere Länder die Abschwächung des deutschen Marktes aufwiegen können. Das glaube ich jedoch nicht. Schließlich hat Deutschland fast 70 Prozent des Weltmarktes im ersten Halbjahr 2010 ausgemacht.
Es gibt Anzeichen, dass sich das Umfeld schon früher als im ersten Halbjahr 2011 verschlechtert. Der Spotpreis ist bereits von 2,30 auf 1,90 Dollar je Watt gesunken.
Wie weit könnten die Preise fallen?
Egal von welcher Annahme wir ausgehen - wir werden bald eine Periode eines deutlichen Modul-Überhanges sehen. 2011 dürften die Preise für kristalline Module daher auf das Niveau der marginalen Kosten und damit unter einen Dollar je Watt fallen.
Zumindest die besten Hersteller kristalliner Solarmodule sind bereits auf einem solchen Kostenniveau angekommen. So haben Trina Solar, Yingli oder Solarfun Produktionskosten von rund 1,10 Dollar je Watt ausgewiesen. Und diese dürften weiter fallen. Denn erste Siliziumhersteller produzieren bereits für 25 Dollar je Kilogramm. Das würde die Siliziumkosten pro Watt von derzeit 0,35 Dollar auf 0,15 Dollar reduzieren.
Würde ein solcher rund 50-prozentiger Preiseinbruch nicht automatisch große Investitionen in Solaranlagen auslösen?
Zwar erwarten viele, dass solch günstigen Preise die Nachfrage deutlich beleben. Doch es darf nicht vergessen werden, dass Module mittlerweile deutlich weniger als die Hälfte eines kompletten Solarsystems ausmachen. Das heißt, ein 40 prozentiger Rückgang der Modulpreise bringt nur einen 15-prozentigen Rückgang des Komplettsystems mit sich.
Konkret: Wie sollten Anleger aus Ihrer Sicht reagieren?
Es sieht nicht so aus, als ob das gut ausgeht. Wir haben daher Verkaufs-empfehlungen für Suntech, Yingli, Ja Solar und den Dünnschicht-Hersteller First Solar veröffentlicht.
Nur ein Beispiel: Im Szenario, in welchem die kristallinen Preise auf 1,00 Dollar pro Watt fallen, müsste First Solar zu 0,75 Dollar pro Watt anbieten, da Dünnschicht-Module höhere Systemkosten (mehr Kabel, Fläche) haben. Das würde zu deutlichen Verlusten und einem nicht mehr funktionierenden Geschäftsmodell der Firma führen.
Die einzige Aktie, die wir zum Kauf empfehlen, ist Amtech Systems.
Vorsicht ja, Panik nein
Der "Solar-Bär" ist ein einsamer Rufer - während er etwa Verluste von First Solar für möglich hält, rechnen alle anderen Analysten 2011 mit steigenden Gewinnen des mit einem KGVs von 15 relativ hoch bewerteten Solarweltmarktführers. Doch die warnenden Stimmen sollten nicht komplett ignoriert werden. DER AKTIONÄR rechnet aufgrund der absehbaren weiteren Reduktion der Einspeisevergütung in Deutschland tatsächlich mit kräftigem Gegenwind für die ganze Branche. Daher weist besonders ein Short-Zertifikat auf den US-Dünnschichthersteller First Solar ein gutes Chance- / Risiko-Verhältnis auf.
Doch es gibt weiterhin auch Long-Chancen: Etwa die gerade auf ein neues Hoch gestiegene Aktie des US-Solarmaschinenbauers Amtech, der erst vor wenigen Tagen China-Aufträge im Wert von 23 Millionen Dollar erhalten hat, oder einige asiatische Solaraktien. Denn 2011 dürfte es in der lange sonnenverwöhnten Branche zwar zu dem einen oder anderen Gewitter kommen. Den heraufbeschworenen "Weltuntergang" wird es aber auch im laufenden Jahr nicht