Afrika entdeckt die Sonne.
Schlagwörter: Solarthermie, Erneuerbare Energien, Desertec, Parabolrinnenkraftwerk
Nordafrikanische und arabische Staaten setzen trotz politischer Umbrüche die Vision Wüstenstrom in die Tat um. Noch in diesem Jahrzehnt sollen Solar- und Windkraftwerke mit Tausenden Megawatt Leistung ans Netz gehen.
Stolze 15 Prozent Wüstenstrom bis 2050: An dieser Vision hält die internationale Desertec Industrie Initiative (Dii) trotz aller politischen Umbrüche in Nordafrika und im Nahen Osten fest. Das Vorhaben sei nicht unmittelbar betroffen, man müsse sich höchstens um neue Ansprechpartner bemühen, erklärt Dii-Sprecherin Sigrid Goldbrunner. „Wir glauben, dass es nun umso wichtiger ist, die Vorteile über eine Versorgung mit sauberer Energie hinaus hervorzuheben“, sagt Paul van Son, Direktor des Industriekonsortiums. So dürfen die MENA-Staaten (MENA – Middle East and North Africa) dank des Projekts Wüstenstrom mit neuen Jobs, Technologietransfer und dem Aufbau einer Wissensgesellschaft rechnen.
Wirtschaft und Strombedarf wachsen in der MENA-Region mit fünf bis zehn Prozent pro Jahr. Leben heute in den südlichen Anrainerstaaten des Mittelmeers schon 260 Millionen Menschen, werden es bis 2030 wohl 350 Millionen sein. „Zusätzlich werden Demokratisierungsprozesse und Reformen wie auch die erwartbare zunehmende Privatisierung der Wirtschaft das Wachstum bei der Energienachfrage noch beschleunigen“, sagt Christoph Wolff, Vorstandsvorsitzender von Solar Millennium, Hersteller von Solarthermie-Kraftwerken mit Sitz in Erlangen. Eine soziale und demokratische Entwicklung brauche eine sichere Energieversorgung, betont Hassine Bouzid, Sprecher der Arabischen Liga mit insgesamt 22 Mitgliedsstaaten. Damit rückt Europas Wunsch nach sauberem Wüstenstrom vorerst in den Hintergrund. Auf einen Zeitpunkt, wann überhaupt die erste Kilowattstunde aus der Sahara nach Europa fließen wird, mag sich heute kein Politiker und kein Industrievertreter mehr festlegen.
„Die MENA-Länder werden nicht auf die europäische Desertec-Initiative warten“, ist sich Galal Osman, Vizepräsident der World Wind Energy Association aus Kairo, sicher. Das Kuraymat-Hybridgaskraftwerk mit 150 Megawatt (MW) Leistung – 20 MW davon liefert eine 130000 Quadratmeter große Solarthermie-Anlage mit Parabolspiegeln – belegt seine Aussage. Vor wenigen Monaten nahm der Solarthermiepark 100 Kilometer südlich von Kairo seinen Betrieb auf. Ein ähnliches Kraftwerk baut derzeit das spanische Unternehmen Abengoa Solar in Algerien. Bis 2017 soll in Südägypten noch eine 100-MW-Anlage folgen. Knapp die Hälfte der Investition ist mit einem Weltbank-Kredit über 194 Millionen Euro gesichert. Damit befinden sich von Marokko über Tunesien bis nach Jordanien Solarthermie-Kraftwerke mit rund 1000 MW Leistung im weit fortgeschrittenen Planungsstadium und könnten in den kommenden Jahren gebaut werden.
„Von allen Ländern in Nordafrika hat Marokko die wohl aggressivsten Pläne“, sagt Osman. Die Maghreb-Monarchie, die derzeit mit einem Anteil von 97 Prozent am Tropf ausländischer Strom-, Gas- und Öllieferanten hängt, will bis 2019 Solarkraftwerke mit 2000 MW Leistung an fünf Standorten bauen. Die Finanzierung für das erste 500-MW-Parabolrinnen-Kraftwerk in Ouarzazate mit Unterstützung des Clean Technology Fund der Weltbank und internationaler Entwicklungsbanken steht, die Auftragsvergabe ist für Ende 2011 geplant.
Treibende Kraft ist die marokkanische Agentur für Solarenergie (MASEN). Zusätzlich zu den etwa neun Milliarden Euro teuren Solarkraftwerken forciert Marokko den Bau von über zehn Windparks entlang des Atlas-Gebirges und an der Atlantikküste. „Mit diesen weiteren 2000 Megawatt wollen wir bis 2020 28 Prozent des marokkanischen Strombedarfs mit Wind und Sonne decken“, sagt Abdellah Griech, verantwortlich für erneuerbare Energien beim marokkanischen Energieversorger One.
„Fast alle arabischen Staaten können Pilotprojekte oder eine Strategie zum Ausbau der regenerativen Energien vorweisen“, sagt Hassine Bouzid von der Arabischen Liga. Je größer – wie in Marokko – die Abhängigkeit von Energieimporten ist, desto ambitionierter sind die Pläne. So will Jordanien bis 2020 seinen Anteil an grünem Strom von einem auf zehn Prozent steigern. Mit etwa 600 MW Leistung sollen Windparks in der Ma’an-Region, im Wadi Araba und an weiteren fünf Standorten die stetig starken Winde im ostjordanischen Bergland und im trockenen Süden des Landes nutzen. Im sonnigen Südosten ergänzen Solarthermiekraftwerke mit bis zu 300 MW Leistung die Energiestrategie des Staates. In Tunesien laufen trotz des Wechsels der politischen Machtverhältnisse die Vorbereitungen für den Bau zweier Solarkraftwerke mit je 100 MW Leistung, ein weiterer Ausbau bis auf 2000 MW nach 2020 wird angestrebt. Parallel schreiten mit der britischen Entwicklungsgesellschaft Nurenergie die Planungen für ein Unterseekabel nach Italien mit zwei Gigawatt Kapazität voran. Mit einer Umsetzung dieses wichtigen Anschlusses nach Europa ist vor dem kommenden Jahrzehnt jedoch nicht zu rechnen.
Algerien will trotz seiner reichen Erdgasvorkommen bis 2015 fünf Prozent des Strombedarfs durch erneuerbare Energien decken. Doch hinkt das Land seinen ursprünglichen Plänen, bis in vier Jahren insgesamt für 1000 MW Solarkraftwerke zu bauen, deutlich hinterher. Auch Libyen kündigte vor dem Bürgerkrieg ein Drei-Milliarden-Dollar-Investment in Solarkraftwerke an, durchzuführen von der Al Maskari Holding aus dem Emirat Abu Dhabi. „Libyen ist eine Quelle für grüne Energie, und wir können diese nach Europa exportieren“, verkündete im vergangenen Dezember Jamal Ellamushe in seiner Position als Minister für Privatisierung und Investment. Ob diese Pläne nach einem Ende der Auseinandersetzungen wieder aufgegriffen werden, lässt sich heute nicht sagen. Selbst der vom Bürgerkrieg gebeutelte Sudan plante Mitte 2010 den Bau von Solarthermiekraftwerken mit 2000 MW Leistung in der Region Darfur.
Auf solideren Beinen steht dagegen die neue Energiestrategie von Saudi-Arabien. Statt täglich bis zu 800000 Barrel Öl für die landeseigene Stromerzeugung zu verfeuern, will das Königreich bis 2030 rund 100 Milliarden Dollar in neue Kraftwerke und Stromleitungen stecken. „Energie, die nicht auf fossilen Quellen wie Erdöl oder Gas beruht, wird bis 2030 die Hälfte des Energiemix des Königreichs ausmachen“, verkündete Khalid Al Sulaiman, Vizepräsident für erneuerbare Energien der King Abdullah City for Atomic and Renewable Energy, auf dem „Saudi Solar Energy Forum“ Anfang April selbstbewusst. Doch nicht nur mit Solarstrom, sondern auch mit Kernkraftwerken...
Schlagwörter: Solarthermie, Erneuerbare Energien, Desertec, Parabolrinnenkraftwerk
Nordafrikanische und arabische Staaten setzen trotz politischer Umbrüche die Vision Wüstenstrom in die Tat um. Noch in diesem Jahrzehnt sollen Solar- und Windkraftwerke mit Tausenden Megawatt Leistung ans Netz gehen.
Stolze 15 Prozent Wüstenstrom bis 2050: An dieser Vision hält die internationale Desertec Industrie Initiative (Dii) trotz aller politischen Umbrüche in Nordafrika und im Nahen Osten fest. Das Vorhaben sei nicht unmittelbar betroffen, man müsse sich höchstens um neue Ansprechpartner bemühen, erklärt Dii-Sprecherin Sigrid Goldbrunner. „Wir glauben, dass es nun umso wichtiger ist, die Vorteile über eine Versorgung mit sauberer Energie hinaus hervorzuheben“, sagt Paul van Son, Direktor des Industriekonsortiums. So dürfen die MENA-Staaten (MENA – Middle East and North Africa) dank des Projekts Wüstenstrom mit neuen Jobs, Technologietransfer und dem Aufbau einer Wissensgesellschaft rechnen.
Wirtschaft und Strombedarf wachsen in der MENA-Region mit fünf bis zehn Prozent pro Jahr. Leben heute in den südlichen Anrainerstaaten des Mittelmeers schon 260 Millionen Menschen, werden es bis 2030 wohl 350 Millionen sein. „Zusätzlich werden Demokratisierungsprozesse und Reformen wie auch die erwartbare zunehmende Privatisierung der Wirtschaft das Wachstum bei der Energienachfrage noch beschleunigen“, sagt Christoph Wolff, Vorstandsvorsitzender von Solar Millennium, Hersteller von Solarthermie-Kraftwerken mit Sitz in Erlangen. Eine soziale und demokratische Entwicklung brauche eine sichere Energieversorgung, betont Hassine Bouzid, Sprecher der Arabischen Liga mit insgesamt 22 Mitgliedsstaaten. Damit rückt Europas Wunsch nach sauberem Wüstenstrom vorerst in den Hintergrund. Auf einen Zeitpunkt, wann überhaupt die erste Kilowattstunde aus der Sahara nach Europa fließen wird, mag sich heute kein Politiker und kein Industrievertreter mehr festlegen.
„Die MENA-Länder werden nicht auf die europäische Desertec-Initiative warten“, ist sich Galal Osman, Vizepräsident der World Wind Energy Association aus Kairo, sicher. Das Kuraymat-Hybridgaskraftwerk mit 150 Megawatt (MW) Leistung – 20 MW davon liefert eine 130000 Quadratmeter große Solarthermie-Anlage mit Parabolspiegeln – belegt seine Aussage. Vor wenigen Monaten nahm der Solarthermiepark 100 Kilometer südlich von Kairo seinen Betrieb auf. Ein ähnliches Kraftwerk baut derzeit das spanische Unternehmen Abengoa Solar in Algerien. Bis 2017 soll in Südägypten noch eine 100-MW-Anlage folgen. Knapp die Hälfte der Investition ist mit einem Weltbank-Kredit über 194 Millionen Euro gesichert. Damit befinden sich von Marokko über Tunesien bis nach Jordanien Solarthermie-Kraftwerke mit rund 1000 MW Leistung im weit fortgeschrittenen Planungsstadium und könnten in den kommenden Jahren gebaut werden.
„Von allen Ländern in Nordafrika hat Marokko die wohl aggressivsten Pläne“, sagt Osman. Die Maghreb-Monarchie, die derzeit mit einem Anteil von 97 Prozent am Tropf ausländischer Strom-, Gas- und Öllieferanten hängt, will bis 2019 Solarkraftwerke mit 2000 MW Leistung an fünf Standorten bauen. Die Finanzierung für das erste 500-MW-Parabolrinnen-Kraftwerk in Ouarzazate mit Unterstützung des Clean Technology Fund der Weltbank und internationaler Entwicklungsbanken steht, die Auftragsvergabe ist für Ende 2011 geplant.
Treibende Kraft ist die marokkanische Agentur für Solarenergie (MASEN). Zusätzlich zu den etwa neun Milliarden Euro teuren Solarkraftwerken forciert Marokko den Bau von über zehn Windparks entlang des Atlas-Gebirges und an der Atlantikküste. „Mit diesen weiteren 2000 Megawatt wollen wir bis 2020 28 Prozent des marokkanischen Strombedarfs mit Wind und Sonne decken“, sagt Abdellah Griech, verantwortlich für erneuerbare Energien beim marokkanischen Energieversorger One.
„Fast alle arabischen Staaten können Pilotprojekte oder eine Strategie zum Ausbau der regenerativen Energien vorweisen“, sagt Hassine Bouzid von der Arabischen Liga. Je größer – wie in Marokko – die Abhängigkeit von Energieimporten ist, desto ambitionierter sind die Pläne. So will Jordanien bis 2020 seinen Anteil an grünem Strom von einem auf zehn Prozent steigern. Mit etwa 600 MW Leistung sollen Windparks in der Ma’an-Region, im Wadi Araba und an weiteren fünf Standorten die stetig starken Winde im ostjordanischen Bergland und im trockenen Süden des Landes nutzen. Im sonnigen Südosten ergänzen Solarthermiekraftwerke mit bis zu 300 MW Leistung die Energiestrategie des Staates. In Tunesien laufen trotz des Wechsels der politischen Machtverhältnisse die Vorbereitungen für den Bau zweier Solarkraftwerke mit je 100 MW Leistung, ein weiterer Ausbau bis auf 2000 MW nach 2020 wird angestrebt. Parallel schreiten mit der britischen Entwicklungsgesellschaft Nurenergie die Planungen für ein Unterseekabel nach Italien mit zwei Gigawatt Kapazität voran. Mit einer Umsetzung dieses wichtigen Anschlusses nach Europa ist vor dem kommenden Jahrzehnt jedoch nicht zu rechnen.
Algerien will trotz seiner reichen Erdgasvorkommen bis 2015 fünf Prozent des Strombedarfs durch erneuerbare Energien decken. Doch hinkt das Land seinen ursprünglichen Plänen, bis in vier Jahren insgesamt für 1000 MW Solarkraftwerke zu bauen, deutlich hinterher. Auch Libyen kündigte vor dem Bürgerkrieg ein Drei-Milliarden-Dollar-Investment in Solarkraftwerke an, durchzuführen von der Al Maskari Holding aus dem Emirat Abu Dhabi. „Libyen ist eine Quelle für grüne Energie, und wir können diese nach Europa exportieren“, verkündete im vergangenen Dezember Jamal Ellamushe in seiner Position als Minister für Privatisierung und Investment. Ob diese Pläne nach einem Ende der Auseinandersetzungen wieder aufgegriffen werden, lässt sich heute nicht sagen. Selbst der vom Bürgerkrieg gebeutelte Sudan plante Mitte 2010 den Bau von Solarthermiekraftwerken mit 2000 MW Leistung in der Region Darfur.
Auf solideren Beinen steht dagegen die neue Energiestrategie von Saudi-Arabien. Statt täglich bis zu 800000 Barrel Öl für die landeseigene Stromerzeugung zu verfeuern, will das Königreich bis 2030 rund 100 Milliarden Dollar in neue Kraftwerke und Stromleitungen stecken. „Energie, die nicht auf fossilen Quellen wie Erdöl oder Gas beruht, wird bis 2030 die Hälfte des Energiemix des Königreichs ausmachen“, verkündete Khalid Al Sulaiman, Vizepräsident für erneuerbare Energien der King Abdullah City for Atomic and Renewable Energy, auf dem „Saudi Solar Energy Forum“ Anfang April selbstbewusst. Doch nicht nur mit Solarstrom, sondern auch mit Kernkraftwerken...