Ethereum
99,9 Prozent Energieeinsparung, Ethereum wird jetzt öko
Ethereum wird grün: Mit dem Übergang zum neuen Konsensverfahren in 2022 spart die Blockchain fast die gesamte Menge seines aktuellen Energiebedarfs ein. Den Vergleich mit Zahlungsdienstleister Visa braucht die Blockchain nicht zu scheuen.
Stellvertretend für den gesamten Krypto-Markt entlädt sich die Klimadebatte immer wieder an Bitcoin. Das Netzwerk verbraucht so viel Strom wie Schweden und pumpt so viel CO₂ in die Luft wie Neuseeland: An dramatischen Vergleichen mangelt es nicht. Was häufig untergeht: Auch Ethereum ist kein Kind von Traurigkeit. Das Netzwerk verschlingt aktuell 104 Terrawattstunden (TWh) im Jahr und damit in etwa so viel wie Kasachstan. Mit einem Ausstoß von fast 50 Megatonnen (Mt) CO₂ schleudert Ethereum so viel Kohlenstoffdioxid in die Erdatmosphäre wie Bulgarien – noch. Denn Ethereums Übergang zu Proof of Stake drosselt den Energiebedarf erheblich.
Auslaufmodell: Proof of Work
Wie auch bei Bitcoin liegt der hohe Energiebedarf am verwendeten Konsensverfahren Proof of Work (PoW). Miner bündeln Transaktionen in Blöcken, verifizieren sie und heften sie an die Blockchain. Als Anreiz erhalten sie pro Block zwei Ether Belohnung, zusätzlich zu Trinkgeldern, die mit Transaktionen geschickt werden können. Ihr Einsatz: Rechenleistung. Wer mehr zur Hash Power eines Netzwerks beisteuert, erhöht die Chancen, einen gültigen Block zu finden.
Der Vorteil: Eine hohe Hash Rate imprägniert Netzwerke vor Angriffen. Um die Historie eine Blockchain umzuschreiben oder double Spends auszuführen, müsste über die Hälfte der gesamten Rechenleistung aufgebracht werden. Zwar kam es in der Vergangenheit immer wieder zu sogenannten 51-Prozent-Attacken. Ethereum und Bitcoin sind aufgrund ihrer hohen Hash Rate aber keine Angriffsziele. Die benötigte Rechenleistung für einen Angriff ist zu hoch.
Der Nachteil allerdings: Der Mining-Mechanismus führt zu einem globalen Hardware-Wettrüsten – mit drastischen Auswirkungen auf den Stromverbrauch. Allein in 2021 ist der geschätzte Energiebedarf bei Ethereum von unter 15 auf über 100 Terrawattstunden (TWh) pro Jahr gestiegen, wie Daten von Digiconomist zeigen.
Daran lässt sich nichts beschönigen: Der Energieverbrauch ufert aus. Selbst Entwickler:innen räumen in einem Blogeintrag ein, “dass der derzeitige Energieaufwand von Ethereum zu hoch und nicht tragbar” ist. Auch Ben Edgington, Lead Product Owner für die Quorum-Protokollentwicklung in der Ethereum-Softwareschmiede ConsenSys, erklärt gegenüber BTC-ECHO, dass “viele potenzielle Neueinsteiger in die Kryptowährungen, beispielsweise im NFT-Ökosystem, zu Recht schockiert über den übermäßigen Energieverbrauch von Proof of Work sind”.
Aber Ethereum hat ein Ass im Ärmel. Denn Proof of Work war nie als dauerhaftes Konzept angelegt, eher als Übergangslösung, bis das weit weniger ressourcenaufwendige Proof-of-Stake-Verfahren erprobt und eingeführt ist. “Die Ethereum-Gemeinschaft hat lange darauf hingearbeitet”, meint Ben Edgington, “und wir freuen uns, dass es dieses Jahr so weit ist”.
Eine Frage des Konsens
Im zweiten Quartal dürfte es endlich so weit sein, dann verschmilzt die jetzige Mainchain mit der PoS-basierten Beacon Chain. Nach dem “Merge” gehört Proof of Work bei Ethereum der Vergangenheit an und das Netzwerk sichert sich nicht mehr durch Rechenleistung, sondern hinterlegte Ether-Einlagen ab – den Stake.
Da nicht mehr Miner und damit Rechenleistung, sondern Validatoren für die Blockproduktion verantwortlich sind, senkt Ethereum seinen Energieverbrauch deutlich. Laut Ben Edgington verbraucht die neue Netzwerkarchitektur 99,95 Prozent weniger Energie als bisher. Der Bedarf reduziert sich künftig auf den Betrieb von Nodes und wird nicht mehr durch Mining-Anlagen in Industriehallen entfesselt.
Mehr Leistung mit weniger Aufwand
Vorausgesetzt Ethereum hat das Sharding, eine Skalierungslösung, die den Transaktionsdurchsatz durch die Aufteilung auf parallel laufende Netzwerke erhöht, bereits eingeführt, steigert sich die Leistungsfähigkeit von aktuell 15 Transaktionen pro Sekunde (TPS) in Zukunft um das 64-fache. Allein mithilfe der Shard Chains, die für 2023 geplant sind, und von denen Ben Edgington sagt, dass sie “das zukünftige Wachstum des Layer-2-Ökosystems weiter unterstützen”, soll Ethereum einen Durchsatz von 25.000 TPS erreichen. Wohlgemerkt ohne Skalierungslösungen wie Layer-2-Rollups. Mit ihnen könnte es Ethereum auf etwa 100.000 TPS bringen.
Nicht nur für den Durchsatz spielen Layer-2-Rollups, die Transaktionen außerhalb der Ethereum Mainchain ausführen, eine wichtige Rolle. Auch weil die Skalierungslösungen die Transaktionskosten – Gas Fees – senken, geht Ben Edgington von einer zunehmenden Nutzung aus: “Immer mehr Nutzer:innen migrieren zu Layer-2-Roll-ups, die alle Vorteile der Sicherheit und Flexibilität von Ethereum genießen und gleichzeitig niedrige Transaktionsgebühren bieten. Wir gehen davon aus, dass die meisten Nutzer:innen in Zukunft den Großteil ihrer Transaktionen auf Layer-2 und nicht mehr auf der Base Chain abwickeln werden”.
Grüner als Visa?
Ein Rechenbeispiel zeigt, wie deutlich die Energieeinsparung bei einer einzelnen Transaktion pro Sekunde ist. Aktuell zählt die Beacon Chain bereits 250.000 Validatoren, die aber zu großen Teilen auf gleichen Nodes laufen. Zwischen 3.000 und 4.000 einzeln Nodes gibt es aktuell, wobei der tägliche Verbrauch pro Node bei ungefähr 1,44 Kilowattstunden (kWh) liegt. Selbst wenn die Anzahl der Nodes nach dem “Merge”, also bei der Umstellung auf Proof of Stake, auf 10.000 stiege, würde sich der tägliche Verbrauch bei 14.400 kWh am Tag einpendeln. Auf die Sekunde gerechnet ergibt sich ein Verbrauch von 0,1667 kWh, bei 100.000 Transaktionen 0,667 kWh.
Zum Vergleich: 100.000 Visa-Transaktionen verbrauchen 149 kWh. Ethereum verbraucht also nur 0,4 Prozent des Energiebedarfs für die gleiche Menge an Transaktionen. Verglichen mit dem aktuellen Verbrauch der Proof of Work Mainchain drosselt sich der Bedarf um den Faktor 225. Und das nur unter Berücksichtigung der Sharding-Funktion. Durch Layer-2-Rollups könnte sich der Durchsatz noch einmal um das Vierfache erhöhen: Ethereum würde nur 0,1 Prozent des Energieaufwands von Visa beanspruchen und seinen jetzigen Ressourcenverbrauch um das 894-fache einsparen.
Zwar hinken derartige Vergleiche naturgemäß. Bei Ethereum schon allein deshalb, weil das Netzwerk, ungeachtet des Transaktionsdurchsatzes, pro Block die gleiche Menge an Energie verbraucht – egal ob eine, hundert oder tausend Transaktionen ausgeführt werden. Fakt ist aber auch, dass sich die Möglichkeiten der Ethereum Blockchain nicht wie bei Visa darin erschöpfen, Transaktionen abzuwickeln. Als mit Abstand größte Smart-Contract-Plattform ist Ethereum Knotenpunkt für ein vielschichtiges Ökosystem an dezentralen Anwendungen, von dezentralen Börsen, über Blockchain-Games bis zu NFT-Marktplätzen. Die verbesserte Energieeffizienz dürfte dieses Wachstum nicht gerade ausbremsen.