dpa-AFX: ROUNDUP: Verkehrsminister Wissing stellt Atomausstieg Mitte April in Frage
BERLIN (dpa-AFX) - Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) stellt den
Mitte April geplanten Atomausstieg in Deutschland in Frage. Wissing sagte der
"Bild"-Zeitung, für einen erfolgreichen Hochlauf der Elektromobilität sei es
entscheidend, dass die Strompreise nicht aus dem Ruder laufen. Mit Blick auf die
Atomkraftwerke sagte er: "Wenn eine Laufzeitverlängerung einen Beitrag dazu
leisten kann, sollte man dies nicht vorschnell ablehnen, alleine schon aus
Gründen des Klimaschutzes. Nur wenn der Strom klimaneutral produziert wird,
schützt Elektromobilität das Klima."
Die Bundesregierung hatte nach einem Machtwort von Kanzler Olaf Scholz (SPD)
beschlossen, dass die drei verbliebenen Atomkraftwerke über das Jahresende
hinaus bis zum 15. April weiterlaufen sollen. Danach soll mit der Nutzung der
Atomkraft Schluss sein.
Der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse,
sagte der Deutschen Presse-Agentur am Montag: "Seit Tagen schon speisen die
Erneuerbaren Energien kaum mehr Strom ins Stromnetz ein. Das zeigt, dass es
richtig war, die Laufzeiten der Kernkraftwerke zu verlängern. Mit den
Erneuerbaren allein wäre die Versorgungssicherheit in diesem Winter
offensichtlich nicht gesichert. Strom muss langfristig sauber und bezahlbar
werden." Energieminister Robert Habeck (Grüne) müsse zum Jahreswechsel ein
Konzept vorlegen, das diesem Anspruch nachhaltig gerecht werde. "Eine
Laufzeitverlängerung darf da kein Tabu sein. Der Strompreis muss sinken."
Wissing hatte bereits kritisiert, der Ausbau der Stromnetze komme nicht
schnell genug voran. Er sagte der "Welt am Sonntag": "Aufgrund der
Bedarfsberechnungen sehe ich jetzt schon dringenden Handlungsbedarf." Bislang
richte sich der Ausbau nach dem aktuellen Bedarf, nicht nach dem
prognostizierten Bedarf.
Der Grünen-Energiepolitiker Bernhard Herrmann sagte der dpa: "Atomkraft ist
weiterhin eine Hochrisikotechnologie mit ungelöster Endlagerfrage. Die
Ampelkoalition hat sich deswegen darauf geeinigt, zum 30. April 2023 alle noch
am Netz befindlichen Atomkraftwerke abzuschalten. Daran wird nicht gerüttelt."
Hierfür stehe die ganze Koalition, insbesondere der Bundeskanzler, im Wort. "Der
Weiterbetrieb der Atomkraftwerke hätte nur einen minimalen Effekt auf die
Strompreise, während Solar- und Windstrom schon jetzt europaweit die Preise
drücken. Anstatt Nebelkerzen zu werfen, muss es darum gehen, viel mehr
preiswerten Strom durch Windkraft und Solarenergie zu produzieren."
Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz
Deutschland, sagte der dpa: "Um den vorhandenen Effizienzvorteil von E-Autos
gegenüber Verbrennern voll auszuschöpfen, braucht es solche, die bei
Herstellung, Betrieb und Entsorgung möglichst wenig Strom und Rohstoffe
benötigen." Die Aufgabe eines Verkehrsministers sei es, das Verkehrssystem
zukunftsfähig umzubauen. "Statt neue Autobahnen für immer mehr Autos, braucht es
dafür bessere Angebote beim klimafreundlichen öffentlichen Verkehr."/hoe/DP/nas