Generation Gold
Euro am Sonntag (30.09.07) - Der Goldpreis ist auf einem 27-Jahre-Hoch. Grund: Die Angst vor einer globalen Finanzkrise. Was dran ist am Mythos Gold. Wohin der Preis noch steigen kann. Wie viel in jedes Depot gehört. Wie Sie am besten investieren
Der Börsenkrach von 1929 stürzte die USA in die schlimmste Wirtschaftskrise ihrer Geschichte. Als der Staatshaushalt vier Jahre später zu kollabieren drohte, löste Präsident Franklin Delano Roosevelt das Problem auf seine Weise: Der private Goldbesitz zu Anlagezwecken wurde kurzerhand verboten.
Sparer und Spekulanten mussten Goldmünzen und -barren zu einem Zwangsumtauschkurs von fünf Dollar je Feinunze bei der Notenbank abliefern – ein Grund übrigens, warum die USA heute noch auf dem größten Goldschatz der Erde sitzen. Nach Ablauf der Umtauschfrist stieg der Goldpreis auf 35 Dollar je Unze an, was der Gesundung des Staatshaushaltes zumindest nicht abträglich war.
Fast 40 Jahre lang verharrte der Goldpreis auf diesem Niveau. Die nächste Welle setzte in den 70er-Jahren ein, nachdem amerikanischen Staatsbürgern der Goldbesitz wieder erlaubt worden war. Bis 1980 schoss die Notierung auf 860 US-Dollar. Die Überteibung mündete in eine 20- jährige Baisse.
Viele neuere Mythen ranken sich seither um das gelbliche Metall, das die Menschen seit Jahrtausenden fasziniert. Prominentester Vertreter der Verschwörungstheoretiker war der vor zwei Jahren verstorbene Schweizer Bankier Ferdinand Lips, der US-Regierung und Investmentbanken vorwarf, den Goldpreis künstlich niedrig zu halten. Lips war Verfechter des Goldstandards, einem bis zum Ersten Weltkrieg international gültigen Agreement, wonach Währungen durch Gold gedeckt sein mussten. Die Notenbanken konnten nur so viel Geld drucken, wie Gold da war – ein wirksames Mittel zur Bekämpfung der Inflation.
Auch nach der Aufhebung des Goldstandards existierte noch eine Art Bindung des US-Dollar an den Goldpreis, da die Vereinigten Staaten das Versprechen abgaben, Dollars jederzeit gegen Gold einzutauschen. Da die Auslandsschulden die Goldreserven bereits Ende der 60er-Jahre überstiegen, hob US-Präsident Richard Nixon die Eintauschbarkeit 1971 endgültig auf. Für Lips war das der endgültige Freibrief für die USA, „Geld aus dem Nichts zu drucken und damit die Welt aufzukaufen“.
Ob Lips übertrieben hat oder nicht – seine Thesen finden in Bankerkreisen immer mehr Anhänger, auch bei amerikanischen Häusern. Christopher Wood, Chefstratege des Brokerhauses CLSA sorgte kürzlich für Furore, indem er für den Goldpreis ein Kursziel von 3400 Dollar ausgab. Und etliche Investmentbanker kaufen privat schon seit Jahren Münzen und Barren, die sie entweder zu Hause unterm Kopfkissen oder in „sicheren Ländern“ wie der Schweiz aufbewahren.
Das am häufigsten genannte Kaufargument ist die negative Korrelation von Gold und US-Dollar, also die aus der Geschichte heraus begründete gegenläufige Entwicklung. Staatsverschuldung, Handelsbilanzdefizit und nicht zuletzt Rezessionsgefahren in den USA haben dem Greenback zuletzt zugesetzt und den Goldpreis auf ein neues 27-Jahres-Hoch getrieben. „Aber auch in vielen anderen Währungen hat sich der Anstieg deutlich bemerkbar gemacht“, so Citigroup- Analyst John H.Hill.
Genau darin sehen viele Experten den Startschuss für eine neuerliche Gold-Hausse. War es bisher für europäische Anleger meist ein Nullsummenspiel, in Gold zu investieren, da die Währungsverluste den Kursgewinn aufzehrten, hat sich die Situation inzwischen grundlegend geändert: „Das Vertrauen ins internationale Finanzsystem insgesamt ist angeknackst“, erklärt der Göttinger Vermögensverwalter Wilhelm Peinemann, der dafür neben der Subprime-Krise die zügellose Geldmengen-Expansion der vergangenen Jahre verantwortlich macht. Auch andere „Papierwährungen“ wie der Euro seien davon betroffen.
Die nächste Welle der Gold-Hausse, die mit dem Platzen der New-Economy-Blase um die Jahrtausendwende begann, steht demnach unmittelbar bevor. Zwar wollen weder Vermögensverwalter Peinemann noch Citigroup-Experte Hill das waghalsige Kursziel von 3400 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) in den Mund nehmen, vierstellige Notierungen seien aber keineswegs auszuschließen, erklären beide unisono.
Die Gefahr für Anleger, jetzt zu Höchstkursen zu kaufen und dann wieder 27 Jahre warten zu müssen, um wenigstens ohne Verlust aus dem Investment herauszukommen, stuft das Gros der Fachleute als gering ein. Denn der natürliche Boden für den Goldpreis sind die Produktionskosten, die nach Schätzungen von Werner Ullmann, Buchautor und Manager mehrerer Rohstoff-Fonds, derzeit bei mindestens 400 Dollar je Unze liegen dürften. Hinzu kommen weitere Kosten für Transport und Lagerung, weshalb Ullmann davon ausgeht, dass Gold bereits unterhalb von 600 Dollar kaum mehr wirtschaftlich zu produzieren ist. Zwar habe der Goldpreis in der jüngsten Liquiditätskrise tageweise ebenso gelitten wie Aktien und andere Anlageklassen, jedoch sei es kein Zufall, dass dabei zu beobachten war, „dass Gold bereits bei 640 Dollar je Unze einen Boden gefunden hat“. Auch der hohe Ölpreis ist mitverantwortlich für die stark gestiegenen Produktionskosten, ergänzt Vermögensverwalter Peinemann: Oft werde heutzutage in 3000 bis 4000 Metern Tiefe geschürft, was entsprechend hohen Energieaufwand erfordere.
Dieser Zusammenhang veranlasste auch die Analysten der Commerzbank, ihre zu Jahresanfang eher vorsichtige Einschätzung zum Goldpreis aufzugeben Das „Gold/Öl-Ratio“ habe historisch immer um die zwölf gelegen, erklärt Commerzbank-Experte Ralph Stemper. Derzeit kostet die Feinunze aber nur das Neunfache eines Barrel Rohöl, woraus sich erhebliches Nachholpotenzial ergebe. Oder anders gerechnet: Selbst wenn der Ölpreis auf 60 Dollar sinken würde, wäre Gold im historischen Vergleich nicht zu teuer.
Warum Gold und kein anderer Rohstoff die Funktion einer Weltreserve und Krisenwährung übernommen hat, ist nicht allein mit dem Glanz des Edelmetalls oder seiner Bedeutung für die Schmuckindustrie zu erklären. „Gold ist rar, aber im Unterschied zum Beispiel zu Platin in ausreichender Menge vorhanden“, sagt Peinemann. Öl und Silber, die ebenfalls in Frage kämen, sind schlicht und einfach nicht teuer genug, um große Vermögenswerte sinnvoll von einem Land ins andere transportieren zu können. „Außerdem ist Gold nicht beliebig vermehrbar“. Schon gut gemachte Fälschungen seien, wenn überhaupt, nur zu Kosten herzustellen, die den aktuellen Goldpreis übersteigen.
Gleichwohl empfiehlt Peinemann durchaus die Beimischung anderer Edelmetalle. Die Gesellschafter seiner Initiative vermögenssicherung.net setzen derzeit etwa zu 60 Prozent auf Gold, der Rest verteilt sich auf Silber, Platin und Palladium, derzeit mit leichtem Übergewicht zugunsten von Silber.
Der Nachteil anderer Edelmetalle ist allerdings die Steuer. Während Gold als zugelassenes Zahlungsmittel von der Mehrwertsteuer befreit ist, schlägt der Fiskus beim Kauf von Silber, Palladium und Platin mit 19 Prozent zu. Einzige Ausnahme sind Silbermünzen, die in anderen Ländern als gesetzliches Zahlungsmittel gelten, etwa der australische Kookaburra, den es in verschiedenen Gewichtsklassen von einer Unze bis zu einem Kilogramm gibt. Für diese Münzen gilt der ermäßigte Mehrwertesteuersatz von sieben Prozent.
Um die Steuer zu sparen, erwirbt die Einkaufsgemeinschaft Peinemanns deshalb vorwiegend Edelmetallbestände aus Privatbesitz und nicht am Bankschalter oder von gewerblichen Händlern.
Die Alternative, auf ETFs oder Zertifikate zu setzen, hält Fondsmanager Ullmann nicht für der Weisheit letzten Schluss: Der Sinn, Gold als Inflationsschutz und sicheren Hafen in schweren Zeiten zu kaufen, liege unter anderem darin, „sofortigen Zugriff darauf zu haben und kein Emittentenrisiko einzugehen“.
Wenn ein Fondsmanager so etwas sagt, konterkariert er damit nicht sein eigenes Geschäft? Nicht ganz, stellt Ullmann klar, immerhin ist der von ihm gemanagte Stabilitas Gold+Ressourcen ein Aktienfonds, der in erster Linie auf Minenwerte setzt (unter anderem auch auf Produzenten von Industriemetallen, Gas und Uran). Er rät deshalb, etwa ein Drittel des Rohstoffanteils am Portfolio in physisches Gold zu investieren und den Rest in Aktien der Produzenten. Die hängen zwar bis zu einem gewissen Grad am Börsenklima, hätten aber eine Hebelwirkung auf den Goldpreis, was die Performance des Gesamtdepots deutlich aufpeppen könne. Und auch die Abhängigkeit vom Börsenklima ist nur vorübergehender Natur: Auch während der großen Depression der 30er-Jahre verzehnfachte sich der Kurs von Homestake Mining, während der Gesamtmarkt fast 90 Prozent an Wert verlor.
Puristische Goldinvestoren werden sich damit wohl nicht zufrieden geben. Sie befürchten, dass sie im Fall eines Kollapses des Finanzsystems nicht an ihre Depotguthaben herankommen würden oder sie möglicherweise – wie 1933 das Gold der US-Bürger – vom Staat konfisziert werden könnten.