Thema: Chinas Immobiliensektor: Besser als sein Ruf?
Emfis News Am: 01.08.2011 12:53:53 Gelesen: 11 # 1 @
Im chinesischen Immobilien- und Bausektor sieht es offenbar besser aus, als die schlechten Prognosen vermuten lassen. Gerade in den kleineren Großstädten abseits der riesigen Metropolen wird ein Aufsehen erregendes Wachstum erwartet.
Seit der letzten Finanzkrise wird von Analysten gebetsmühlenartig ein "Platzen der chinesischen Immobilienblase" prophezeit. Könnte es sein, dass die Apokalyptiker schlichtweg das Kleingedruckte übersehen haben?
Zwar hat es im Laufe der jüngsten Drosselungsmaßnahmen auch die eine oder andere chinesische Immobilien-Aktie böse erwischt. Es gibt aber viele Anzeichen dafür, dass es um die Branche nicht annähernd so schlecht steht, wie vielerorts vermutet. Dies mag überraschen, denn das fröhliche Bashing der Baubranche gehört bei den China-kritischen Marktbeobachtern mittlerweile zum Standard-Repertoire. Die Realität ist aber weitaus komplexer, als es manchmal vom Schreibtisch aus erkennbar ist.
Licht ins Dunkel bringt beispielsweise eine Analyse, die zuletzt von Bank of America Merrill Lynch veröffentlicht wurde. Raymond Ngai, Chef dortigen Immobilien-Research-Abteilung, geht davon aus, dass in erster Linie die eigentümlichen Bilanzierungspraktiken der chinesischen Immobilienkonzerne für die extrem schlechte Stimmung am Markt verantwortlich ist. Obwohl sich die meisten chinesischen Baukonzerne bereits vor Jahren mit billigem Bauland eingedeckt haben, wird in den Bilanzen in der Regel statt dem derzeitigen Marktwert lediglich der ursprüngliche Kaufpreis angegeben.
Wenn man Zahlen aus den Bilanzen einfach übernimmt, ohne sie zu hinterfragen, ergibt sich laut Ngai rechnerisch ein weit höherer Verschuldungsgrad, als tatsächlich vorhanden ist. Ein gutes Beispiel dafür sei die in Hongkong gelistete Guangzhou R&F Properties Company. Der Konzern hat vor einigen Jahren Landparzellen für etwa 2.000 Yuan pro Quadratmeter erworben, für die man heutzutage locker 12.000 bis 13.000 Yuan verlangen könnte. Da in der Bilanzaufstellung jedoch nur der einstmalige Kaufpreis dieser Vermögenswerte berücksichtigt wird, ergibt sich ein komplett schiefes - und wenig vorteilhaftes - Bild
Herausragende Wachstumschancen jenseits der Mega-Citys
Institutionelle Investoren mit viel China-Erfahrung lassen sich von der schlechten Presse dementsprechend auch nicht abschrecken, sondern setzen weiterhin auf die Erfolgsstory der chinesischen Urbanisierung. Vor allem für das riesige chinesische Hinterland sind die Statistiken nach wie vor überaus interessant: Einer Studie des Immobilien-Beraters Jones Lang LaSalle zufolge werden Chinas Großstädte aus der ersten Reihe wie Shanghai, Beijing, Guangzhou und Shenzhen im Jahre 2020 gerade einmal 10 Prozent des gewerblichen Immobilienmarkts ausmachen. Das bedeutet, dass vor allem in den neuen Zentren aus der "zweiten Reihe" in den nächsten zehn Jahren große Chancen schlummern.
Auch dass der Durchschnitts-Immobilienpreis irgendwann in 2012 aller Voraussicht nach fallen wird, wenn unzählige staatlich subventionierte Häuser auf den Markt drängen, dürfte in Städten wie Suzhou oder Shenyang nichts an den positiven Perspektiven ändern: Während die Preise etwa in Peking einer Prognose des chinesischen National Institute of Property Finance zufolge möglicherweise um 30 Prozent sinken werden, sollten sie in den kleineren Großstädten lediglich um 10 bis maximal 20 Prozent zurückgehen.
Und diese vermeintlich kleinen Städte sind nach europäischen Maßstäben fast schon riesig: Beispielsweise hat die Hafenstadt Dalian in der Provinz Liaoning im vorletzten Jahr mit einer Einwohnerzahl von 3,6 Millionen bereits die deutsche Hauptstadt Berlin überholt. Rechnet man die Bevölkerung in der stadtnahen Peripherie hinzu, kommt die Provinzmetropole sogar auf 6,17 Millionen Einwohner. Schon dieser Vergleich lässt erahnen, wie immens der Bedarf an Wohnraum selbst jenseits der Mega-Citys in Zukunft ausfallen wird.
Peking vollführt spektakulären Balanceakt
Insgesamt kann man sagen, dass trotz negativer Schlagzeilen auch weiterhin kein Anzeichen einer echten Trendumkehr erkennbar ist. Dies ist umso bemerkenswerter, als die chinesische Regierung derzeit einen geradezu spektakulären Balanceakt vollführt. Die Immobilienbranche hat zuletzt wesentlich zum wirtschaftlichen Aufschwung des Landes beigetragen.
Andererseits hat Peking in den großen Metropolen schon vor geraumer Zeit Maßnahmen in die Wege geleitet, damit die Immobilienpreise nicht ungezügelt in die Höhe schießen. Obwohl Kritiker unentwegt mäkeln, dass die zunehmend restriktive Geldpolitik, die notwendig ist, um die Inflation in den Griff zu kriegen, gleichzeitig auch das Wirtschaftswachstum untergrabe, fiel der Zuwachsrückgang bislang moderat aus. Und gerade der Wohnungsmarkt hat sich erstaunlich gut gehalten.
Dass die Immobilienkonzerne im Reich der Mitte aus der Krise gelernt haben, und mittlerweile eine größere Kapitaldecke aufweisen, dürfte die Risiken noch zuzüglich verringern. Dem stehen außerdem inzwischen recht günstige Bewertungen gegenüber, denn in letzter Zeit machten die meisten Aktien-Anleger um chinesische Immobilienwerte einen weiten Bogen.