Stand der Dinge im Griechenland-Poker
Griechenland vor dem Endspiel - den Banken gehen die Sicherheiten aus
Die nächste Entscheidung der EZB über die Höhe des ELA- Programms steht am Mittwoch an.
Griechischen Banken gehen die Sicherheiten aus, die sie bei der Notenbank des Landes als Gegenleistung für Notkredite hinterlegen müssen. Die Krise könnte dazu beitragen, dass Ministerpräsident Alexis Tsipras nach wochenlangem Nervenkrieg mit den Gläubigern des Landes sich zu einem Kurswechsel gezwungen sieht. Während aus dem griechischen Finanzsystem Mittel abfliessen, nutzen die Banken die bei der Notenbank geparkten Pfänder, um Woche für Woche steigende Beträge an Notkrediten abzurufen. Im ungünstigsten Fall könnte dieser Weg schon in drei Wochen versperrt sein, sagen Ökonomen. Das würde die Banken in die Insolvenz treiben.
“Der Punkt, an dem die Sicherheiten erschöpft sind, ist wahrscheinlich nicht mehr fern”, schrieben die Analysten Malcolm Barr und David Mackie von der JPMorgan Chase Bank in einer Studie vom vergangenen Freitag. “Der Druck aus dem Cashflow der Zentralregierung, der Druck auf das Bankensystem und der politische Terminkalender - all das deutet auf Ende Mai, Anfang Juni.”
In Europa verlieren viele Entscheidungsträger die Geduld mit Tsipras, der erst am Donnerstag erklärte, er werde von keiner seiner zentralen Forderungen abweichen. Bei den Gesprächen mit Griechenland geht es darum, ob das Land mehr Geld erhalten soll. Die Europäische Zentralbank könnte allerdings für zusätzlichen Druck sorgen, sollte sie die Abschläge erhöhen, die griechische Banken nach dem Notfallliquiditätsprogramm (ELA) der EZB auf die hinterlegten Pfänder hinnehmen müssen. Eine solche Massnahme könnte als Nebeneffekt weitere Abflüsse von Bankeneinlagen zur Folge haben und Tsipras vor die Wahl stellen, sich entweder mit den Gläubigern zu einigen oder Kapitalverkehrskontrollen ins Auge zu fassen. “Wir stehen in einem Endspiel”, sagte EZB- Direktoriumsmitglied Yves Mersch in einem am Samstag ausgestrahlten Interview mit einem luxemburgischen Rundfunksender. “Diese Situation ist nicht tragbar.”
Die griechischen Banken haben bislang unter dem ELA- Programm rund 80 Mrd. Euro aufgenommen. Sie haben genug Sicherheiten hinterlegt, um diese Summe - nach den derzeitigen von der EZB genehmigten Bedingungen - auf etwa 95 Mrd. Euro auszuweiten, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person. Wenn die Notenbank die Obergrenze für die Notkredite jede Woche um rund 2 Mrd. Euro erhöht, kämen die Banken bis Ende Juni über die Runden.
Kritisch würde es, wenn die EZB die Abschläge auf griechische Sicherheiten erhöhen würde. Das könnte etwa durch einen kompletten Abbruch der Verhandlungen oder durch den Ausfall einer fälligen Zahlung ausgelöst werden, sagte die Person. Möglicherweise könne aber auch bereits ein Stillstand der Gespräche wie der derzeitige ausreichen.
Eine Erhöhung des Abschlags würde die ELA-Obergrenze auf rund 88 Mrd. Euro senken, sagte die Person. Damit könnten die Banken zwar rund vier Wochen überleben; es bleibe aber so wenig Spielraum, dass Griechenland möglicherweise Kapitalverkehrskontrollen einführen und etwa Barabhebungen von Geldautomaten beschränken müsse, um den Puffer zu erhalten.
“Seit der grossen Krise von 2008 hat Europa viele Instrumente geschaffen, um den Geldfluss und die Banken zu kontrollieren”, sagte Andreas Koutras, Analyst bei In Touch Capital in London. ’’Die Krise in Griechenland wird eher durch die Instrumente der EZB behoben’’ als durch politische, sagte er.
Die nächste Entscheidung der EZB über die Höhe des ELA-Programms steht am Mittwoch an.
Die griechischen Banken arbeiten derweil mit der Athener Notenbank an Plänen, weitere Vermögenswerte als Sicherheiten hinterlegen zu können, sagte eine andere mit dem Vorgang vertraute Person. Allerdings ist nicht klar, ob diese Pfänder - darunter staatliche Garantien, von der EZB akzeptiert würden, wenn keine Bewegung in die Verhandlungen kommt. Wie ein ranghoher griechischer Bankier sagte, liegt es letzten Endes im Ermessen der Frankfurter Währungshüter, welche Sicherheiten sie genehmigt.
Tsipras will am Donnerstag auf einem Gipfeltreffen europäischer Spitzenpolitiker in Riga für seinen Standpunkt werben, nachdem am Wochenende wenig auf Fortschritte in den Gesprächen hindeutete. Wie der britische Fernsehsender Channel 4 am Samstag meldete, hält man es beim Internationalen Währungsfonds laut einem Schreiben vom 14. Mai für unwahrscheinlich, dass Griechenland eine am 5. Juni fällige Zahlung an den Fonds leisten kann, wenn keine Einigung mit den Partnerländern erzielt wird.
Die nächste turnusmässige geldpolitische Sitzung des EZB-Rats für den 3. Juni terminiert, zwei Tage bevor die IWF-Zahlung fällig ist.
Bloomberg