[url=http://peketec.de/trading/viewtopic.php?p=1065154#1065154 schrieb:
metahase schrieb am 21.04.2011, 15:15 Uhr[/url]"]Emmerich Müller:
"Wir können nicht länger über unsere Verhältnisse leben"
Das ständige Schuldenmachen geht so nicht mehr weiter, sagt Emmerich Müller vom Bankhaus Metzler. Im Interview mit dem Handelsblatt erklärt der Privatbankier, warum die Deutschen um ihren Wohlstand fürchten müssen.
Handelsblatt: Herr Müller, erst sind die Banken ins Wanken geraten, jetzt sitzen die Staaten auf hohen Schuldenbergen. Wie hat die Finanzkrise die Welt verändert?
Müller: Die Finanzkrise hat nur eine Entwicklung beschleunigt, die uns früher oder später ohnehin eingeholt hätte. In Wahrheit haben wir viel zu lange über unsere Verhältnisse gelebt. Wir haben geglaubt, dass es immer weiter aufwärts gehen würde. Aber das war ein Trugschluss. Jetzt sind wir an dem Punkt, an dem klar wird, dass es so nicht mehr weiter geht. Die Finanzkrise ist nicht der Auslöser, aber gewissermaßen ein Kristallisationspunkt.
Wie ist es so weit gekommen?
Wir haben dem Staat über Jahrzehnte alles aufgebürdet, wir haben ihm immer mehr Aufgaben übertragen und haben ihn damit überfordert. Auch vor der Finanzkrise lag unsere Staatsverschuldung schon bei 1,7 Billionen Euro, jetzt sind es zwei Billionen. Dabei sind noch nicht einmal die zukünftigen Verpflichtungen eingerechnet, etwa für die Pensionen von Beamten.
Wie soll Deutschland seine Schulden zurückzahlen?
Wir werden nicht alle Versprechen und auch nicht alle Verbindlichkeiten real erfüllen können.
Was Sie so gelassen aussprechen, klingt nach Staatspleite.
Staatspleite würde ich das nicht nennen und wir reden hier nicht über den Weltuntergang. In der Geschichte ist es immer wieder vorgekommen, dass Staaten nicht alle Verbindlichkeiten real erfüllt haben, es war sogar eher die Regel. Mit Ausnahme der USA ist fast jeder Staat schon einmal pleite gewesen. Am Ende wird es darauf ankommen, wer für den Schaden aufkommt.
Wer wird das sein?
Es trifft letztlich immer die Bürger. Der Staat muss Leistungen kürzen. Es wird schmerzliche Einschnitte in den Sozialstaat geben. Manche Dinge spüren die Menschen jetzt schon unmittelbar; andere - wie die Rente mit 67 - kommen erst in der Zukunft auf sie zu. Über die längere Lebensarbeitszeit wird im Moment wenig gesprochen, aus volkswirtschaftlicher Sicht wird sie aber einen enorm wichtigen Effekt haben. Was die Menschen auch erst nach und nach spüren werden, ist die schleichende Enteignung durch Geldentwertung.
"Gegen Inflationierung schützen Sachwerte"
Wäre Deutschland besser dran, wenn es nicht für andere Staaten in Europa einstehen müsste?
Das ist eine sehr kurzsichtige Betrachtung. Unser Problem ist nicht Griechenland. Natürlich haben Griechen, Iren oder Portugiesen über ihre Verhältnisse gelebt - aber das haben wir auch. Die strukturellen Probleme waren alle schon vorher angelegt.
Können Sie verstehen, dass die Menschen angesichts der Schuldenkrise an Europa zweifeln?
Verstehen kann ich das sehr gut. Die Eurozone leidet unter entscheidenden Konstruktionsfehlern. Es gab von Anfang an keinen homogenen Wirtschaftsraum und keine einheitliche Fiskalpolitik. Außerdem war es absurd, dass Griechenland bei viel schlechterer Bonität einen ähnlichen niedrigen Zinssatz wie Deutschland zahlen musste. Das kann nicht funktionieren. Trotzdem sage ich: Wir haben alles sehenden Auges mitgemacht und vor allem Deutschland profitiert massiv von der Eurozone.
Kaufen Sie griechische Staatsanleihen?
Wir haben weder für die Bank noch für unsere Privatkunden griechische, irische oder portugiesische Staatsanleihen gekauft. Wir setzen nur auf Staaten mit vergleichsweise guter Bonität. Daran hat sich auch nichts geändert. Darüber hinaus kaufen wir seit geraumer Zeit nur noch Papiere mit kurzer Laufzeit von durchschnittlich zwei Jahren. Wir gehen davon aus, dass die Zinsen in den nächsten Jahren wieder steigen.
Wird die Schuldenkrise zu steigenden Inflationsraten führen?
Wie es scheint haben die Zentralbanken das Ziel der Inflationsbekämpfung teilweise aufgegeben. Das wird nicht ohne Folgen bleiben, wobei die EZB da noch eine sehr positive Ausnahme darstellt. Ich rechne mit moderat steigenden Inflationsraten. Die Inflationsrate liegt bereits höher als die Zinsen auf kurze und mittlere Sicht, wir haben es also mit negativen Realzinsen zu tun. Ich warne allerdings davor, über Hyperinflation oder Währungsreform zu spekulieren. Das ist unvernünftige Panikmache.
Sie haben sehr vermögende Kunden. Was raten Sie denen als Schutz vor Inflation?
Gegen den Vermögensverlust durch Inflationierung schützen Sachwerte. Wir setzen auf Aktienanlagen. Die Unternehmen - vor allem in Deutschland - profitieren vom Wachstum der Weltwirtschaft. Das gilt besonders für Branchen wie Industrie, Chemie oder Infrastruktur, die in den Schwellenländern gute Geschäfte machen. Das sind beispielsweise Siemens, ABB, BASF oder Daimler und BMW.
Was halten Sie von Gold? Ein guter Schutz gegen die Krise?
Wir setzen Gold in der Vermögensverwaltung nicht aktiv ein. Der Goldpreis ist erstens sehr schwankungsanfällig. Zweitens hängt auf dem Goldmarkt zu viel von politischen Entscheidungen ab. 90 Prozent der weltweiten Goldmenge befindet sich in der Hand weniger Zentralbanken. Und drittens gibt es keinen unabhängigen Maßstab, an dem sich ablesen lässt, ob Gold teuer oder günstig bewertet ist. Es ist nicht möglich, einen fairen Wert für Gold zu ermitteln.
"Es kann nicht immer nur aufwärts gehen"
Wenn das Vertrauen in die Papierwährungen schwindet, könnte Gold an Bedeutung als Zahlungsmittel gewinnen.
Die Rückkehr zu einer Art Goldstandard halte ich für illusionär, um nicht zu sagen: grob unsinnig. Es wäre ein Rückschritt, die Geldmenge allein von einem Rohstoff abhängig zu machen. Eine Steuerung der Geldmenge wäre damit nicht mehr möglich. Die auf der Welt vorhandene Goldmenge reicht gar nicht aus, um der Weltwirtschaft die notwendige Geldmenge zur Verfügung zu stellen. Die Lösung ist nicht Gold, sondern eine vernünftige Haushaltspolitik.
Aber Sie raten doch zu Sachwerten als Inflationsschutz.
Ich habe nichts dagegen, wenn jemand einen kleinen Teil seines Vermögen in Gold investiert. Trotzdem sollte man vorsichtig bleiben, der Goldpreis ist wie gesagt sehr unberechenbar. Außerdem ist Inflation nicht die einzige Bedrohung. Wir sollten nicht so tun, als wäre die Deflation gar kein Thema mehr. Das Risiko besteht grundsätzlich immer. Schon morgen können Ereignisse, von denen wir nichts ahnen, eine Deflationsspirale auslösen.
Wie soll denn eine Strategie aussehen, die gleichermaßen gegen Inflation und gegen Deflation schützt?
Das geht nur mit einer ausgewogenen Aufteilung zwischen Sachwerten und Nominalwerten wie Anleihen, jeweils etwa zur Hälfte.
Das wird Sie Rendite kosten.
Das nehmen wir in Kauf. Eine Strategie, die allein auf die Rendite abzielt, funktioniert ohnehin nur in Schönwetterphasen. Für uns steht der Erhalt des Vermögens über Generationen im Vordergrund.
Herr Müller, müssen sich künftige Generationen darauf einstellen, mit weniger Wohlstand zu leben?
Es kann nicht immer nur aufwärts gehen, manchmal geht es auch seitwärts. Wir können nicht weiter über unsere Verhältnisse leben, sondern müssen uns auf ein Wohlstandsniveau einstellen, das gerechtfertigt ist. Deshalb müssen wir aber nicht gleich unglücklich werden.
Ihre Kunden werden nicht glücklich sein, das zu hören.
Unsere unternehmerisch geprägte Kundschaft überrascht das nicht wirklich, da sie unsere schon lange bestehende Analyse teilt. Die Veränderungen müssen nicht einmal grausam sein, sie können auch moderat und über einen längeren Zeitraum ablaufen. Wichtig ist, dass die Schuldenprobleme angepackt werden und der gigantische Selbstbetrug aufhört.